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Konzertserie im Juni 2019 in der Paris La Defense Arena
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Erzengel
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Ungelesener Beitrag von Erzengel »

O.k. - so ist es nachvollziehbar.

Übrigens hat man bei YouTube ja wirklich den Rundumschlag gemacht. Selbst Videos vergangener Tourneen (wie z.B. das Finale der Hallentour 2009) sind nicht mehr abrufbar :irre:
13.09.13 Paris * 15.10.13 Straßburg * 15.11.13 Brüssel
11.06.19 Paris * 12.06.19 Paris * 22.06.19 Paris
03.06.23 Lille * 17.06.23 Genf * 22.07.23 Brüssel

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OneHitWonder
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Ungelesener Beitrag von OneHitWonder »

Hat es eigentlich jemand geschafft, Material von YouTuber "privateetienne" abzugreifen? Ich habe

Rolling Stone, pourvu qu'elles soient douces, M'effondre und California

erwischt und das sind jeweils erstklassig gemachte und aus sehr vielen Perspektiven zusammengeschnittene Videos zu einem Titel mit durchlaufendem Ton. Also nur das Bild geschnitten.

Würde mich freuen wenn wir es schaffen würden, von diesem User so viel wie möglich zusammen zu tragen. Inzwischen ist aber alles schon wieder weg. Nur noch Sachen von Timeless übrig.
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Ungelesener Beitrag von OneHitWonder »

Erzengel hat geschrieben: 21. Jun 2019, 21:55 Morgen Mittag geht es wieder zurück nach Paris
Neid ! :sabber:
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MartinC
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

OneHitWonder hat geschrieben: 21. Jun 2019, 23:37 Hat es eigentlich jemand geschafft, Material von YouTuber "privateetienne" abzugreifen? Ich habe
Rolling Stone, pourvu qu'elles soient douces, M'effondre und California
erwischt und das sind jeweils erstklassig gemachte und aus sehr vielen Perspektiven zusammengeschnittene Videos zu einem Titel mit durchlaufendem Ton. Also nur das Bild geschnitten.
Würde mich freuen wenn wir es schaffen würden, von diesem User so viel wie möglich zusammen zu tragen. Inzwischen ist aber alles schon wieder weg. Nur noch Sachen von Timeless übrig.
Tracks 1-8 bis M'effondre wären da... aber bevor jetzt überall Hektik ausbricht, schlage ich nochmal Abwarten & Teetrinken vor. Die Video-Projektler machen sich nicht die Arbeit, um sie dann nach 2 Tagen zu begraben und es gibt andere "Vertriebswege". Jetzt müssen erstmal die Lösch-Trolle auskreiseln und das wird nicht ewig so bleiben - sobald die nicht mehr bezahlt werden, suchen die sich den nächsten Job, und ich denke nicht, daß Sony die bis in alle Ewigkeit bezahlt.

Nochmal zu diesen "LeakID". Die ersten Sperren kamen ja im Namen von "SME" (und ja, imagine, ich weiß was das heißt... Spässle g'macht :kicher:), das haben die also zunächst selbst gemacht und dann sind sie auf "Spezialisten" umgestiegen.

*Wenn* das die selbe Firma ist, die damals von Microsoft gefeuert wurde (und das weiß ich nicht, war aber der identische Name) dann war das damals eine freidrehende Agentur, die für Geld nach gelieferten Stichworten alles löschen ließ, was ihre automatischen Filter "entdeckt" haben, und offenbar hatten sie damals einen Pornofilm im Namen von Microsoft reklamiert - was dann selbst Kleinweich zu weit ging.

Dazu würde auch passen, daß sie das FInale von 2009 (Halle) haben sperren lassen, obwohl es Sony gar nicht gehört - "Mylene" im Text, gelbliche Flammenfarben im BIld, ey-boah-ey-voll-der-Treffer für so eine automatisierte KI-Software. KLeiner Vorgeschmack auf die Upload-Filter am Horizont. Und das machen die jetzt so lange, bis Sony aufhört, ihnen Geld zu bezahlen. Und da Sony eine Firma ist, die ihre Firmenpolitik einmal pro Woche grundlegend ändert... Abwarten & Teetrinken (auch wenns schwer fällt). :coffee:
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Argento
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Ungelesener Beitrag von Argento »

OK, hier nun ein paar Worte zu unserem Konzertbesuch letzten Mittwoch 19.6..

Als wir am Nachmittag im Hotel ankamen, gab es dort einen Mylene - Wettbewerb. Es galt, 3 Fragen zu beantworten und jeweils die richtige von drei Antwortmöglichkeiten anzukreuzen. (1. Auf dem wie vielten Album erschien der Song "Point de Suture", 2. Wann erschien der Song "Desenchantee", 3. Für welchen Modemacher ging Mylene auf den Laufsteg.)
Der/die Gewinner sollten am nächsten Morgen bekannt gegeben werden und einen Preis erhalten....

Die Organisation um und in der Halle war spitze, kein Gedränge, keine Schlangen. Genug Zeit also, den halben Merchandise Stand aufzukaufen. Die Basecaps waren allerdings überall ausverkauft.
Wir hatten im Platin Care Block D unsere Sitze. Anstelle von Eisverkäufern kamen ständig Leute mit Schampus - Bauchladen angerannt, sehr praktisch! :drink:

Das Konzert war fantastisch, ich bin jetzt, am dritten Morgen danach immer noch geflasht. Was für eine XXL-Show. Selbst mein Freund, der gar kein grosser Mylene-Fan ist und v.a. wegen mir mitkam war gerade eben beim Frühstück bereiten plötzlich "Desenchantee" am Summen und musste lachen.

Ich habe Mylenes 2. und v.a. das 5. Album nie viel gehört (bzw, die Hits aus nr.2 über die Jahre in den live-Versionen), aber gerade "innamoramento" hat mich völlig umgehauen und heulen lassen wie ein glücklicher Schlosshund.

Den Sound fand ich, gemessen an der Grösse der Halle, sehr gut. Bisschen laut und Instrumenten-lastig (übersteuert) an 1, 2 Stellen, aber völlig ok.

Einen Vergleich mit dem "Timeless"-Konzert (ich war in Brüssel) fällt mir noch schwer, beide Shows waren einzigartig. Damals kam sie eher wie ein Alien rüber (Frisur!), was ja wohl auch gewollt war. Heute war das Thema ein anderes (30 Jahre Tour), und Mylene war eine andere. Mir hat die Setlist besser gefallen, einzig "City of Love" habe ich stark vermisst.

Nach der Show sprachen mich Fans an aus unserem Block; ich hatte mich wohl während meiner lauten "MYLENE"-Rufe als Ausländer geoutet, was Neugier auf sich zog. Mit englisch/französisch übersetzenden Partnern diskutierten wir dann noch über "war das ihre letzte Tour", "wer kennt sie seit wann / wieso" und andere existenzialistische Fragen. :kicher:

Ein Teil von mir wollte schon beim Verlassen der Halle bestimmen, dass ich am 22. (heute) noch Mal nach Paris fahren muss für die letzte Runde. Ich hab da viel Verständnis für mich, kann aber gerade so wiederstehen und freu mich stattdessen auf eventuelle Kino-Auswertung / BD später im Jahr.......obwohl...... :wub:

Am nächsten Morgen erfuhren wir dann, dass wir die glücklichen Gewinner des Mylene Wettbewerbs waren, der Preis war eine Schachtel "Macaron et cacao", übergeben von strahlendem Hotelpersonal. Hab mich total gefreut, was für eine netter Gag und eine schöne Abrundung für unseren Kurztrip!
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Ungelesener Beitrag von OneHitWonder »

MartinC hat geschrieben: 22. Jun 2019, 08:33 Und da Sony eine Firma ist, die ihre Firmenpolitik einmal pro Woche grundlegend ändert...
Mit dem nächsten Video kriegen wir dann eh alle ein Rootkit (https://www.heise.de/newsticker/meldung ... 65426.html) auf unsere PCs installiert. Dann können sie auch noch unsere lokalen Kopien löschen. Olle Kamellen, ich weiß. Aber diesbezüglich waren sie damals wirklich innovativ. Aus technischer Sicht: Hut ab.

Aber die privateetienne Tracks waren für mich das Beste von allem, was ich downloaden konnte. Bleibt halt wirklich nur das, worin ich am allerschlechtesten bin: Geduld :coffee: :nailfile: :bored:

Aber: Für :coffee: hab' ich jetzt ja schöne, neue Mylène Tassen. :love1:
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Ungelesener Beitrag von OneHitWonder »

Argento hat geschrieben: 22. Jun 2019, 10:33 einzig "City of Love" habe ich stark vermisst.
Ja, wir auch. Hat sich still und heimlich zu meinem, Favoriten auf Interstellaires entwickelt.

Ich fand auch, dass Titel die ich persönlich bisher nicht so auf dem Radar hatte im etwas anderen Arrangement auf einmal unheimlich stark rüber kamen.
Argento hat geschrieben: 22. Jun 2019, 10:33 Ein Teil von mir wollte schon beim Verlassen der Halle bestimmen, dass ich am 22. (heute) noch Mal nach Paris fahren muss für die letzte Runde.
Moi aussi :D
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imagine
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Ungelesener Beitrag von imagine »

MartinC hat geschrieben: 22. Jun 2019, 08:33 [...] und ja, imagine, ich weiß was das heißt... Spässle g'macht :kicher:) [...]
:pooh1:
MartinC hat geschrieben: 22. Jun 2019, 08:33 *Wenn* das die selbe Firma ist, die damals von Microsoft gefeuert wurde (und das weiß ich nicht, war aber der identische Name) dann war das damals eine freidrehende Agentur, die für Geld nach gelieferten Stichworten alles löschen ließ, was ihre automatischen Filter "entdeckt" haben, und offenbar hatten sie damals einen Pornofilm im Namen von Microsoft reklamiert - was dann selbst Kleinweich zu weit ging.
Mit ziemlicher Sicherheit sogar, Tante Google bringt ja nur den einen Treffer und das ist dann peinlich genug :kicher:
Plus loin plus haut... j’atteins mon astre...
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Ungelesener Beitrag von Erzengel »

Apropos Ungeduld und Videos:

Es gibt da noch einen Zusammenschnitt von etwa 46 Minuten von einem russischen Fan. Der saß wohl relativ weit hinten, aber die Bilder sind sehr scharf und auch nicht verwackelt.

13.09.13 Paris * 15.10.13 Straßburg * 15.11.13 Brüssel
11.06.19 Paris * 12.06.19 Paris * 22.06.19 Paris
03.06.23 Lille * 17.06.23 Genf * 22.07.23 Brüssel

27.09.24 Paris * 28.09.24 Paris * 01.10.24 Paris
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Ungelesener Beitrag von MartinC »

So, jetzt greif ich doch den Teil mit "ob es ein Roman ist oder..." auf und poste einen grauslig langen Text... nach dem schon oft zitierten Motto "Es ist bereits alles gesagt, aber noch nicht von Jedem"... :kicher:

Wir veröffentlichen im September eine lange Konzertkritik im Empire Magazin, für die aktuelle Ausgabe lagen die Konzerte ein paar Tage zu spät, außerdem ist das Heft bereits brechend voll. Da ich aber ein Alter erreicht habe, in dem ich alle wichtigen Dinge umgehend vergesse, um mir alle unwichtigen dauerhaft zu merken, hatte ich kurz nach Paris eine exzessive Langfassung aller spontanen Eindrücke niedergeschrieben, mit deren Hilfe ich dann (in rund einem Monat, wenn sich alles auch etwas gesetzt hat) den Artikel neu schreiben werde. Das ist also jetzt auch kein Artikel, sondern nur eine überlange Ideen-Sammlung - aber falls der eine oder andere Gedanke darin den Einen oder die Andere interessieren könnte, teile ich das jetzt mal hier. Und Lichtphotonen auf dem Bildschirm sind geduldig und kosten nicht viel.

Eins noch - das avisierte Leserpublikum ist speziell. Mehrheitlich Bildungsbürger mit einer ausgesprochenen Abneigung gegenüber Popmusik. Zu den Dingen, die sie speziell nicht mögen, gehört Pop, singende Frauen, tanzende Frauen, Lieder, die kürzer als 10 Minuten sind, Takte, deren Schlagzahl keine Primzahl größer 3 ist, und was gar nicht geht, sind französische Texte. Also ein Heimspiel für Madame... :twisted:

Insofern hat mein Text einen etwas anderen Blickwinkel und Fokus als die Erlebnisberichte von ausgesprochenen Fans hierzuboard. Aber vielleicht regt es grade deshalb zum einen oder anderen neuen Gedanken an. Und durch die Vorrede wird es noch länger, also Schluß damit. :pfeif:

Dantes Inferno à La Défense

Die La Défense Arena ist mit 40.000 Plätzen im Prinzip die größte Indoor-Arena der Welt, rein nominell ist lediglich der Tokyo Dome in Japan mit nochmal 3.000 weiteren Plätzen größer - der ist allerdings rund und hat damit Tribünen hinter der Bühne, die für Konzerte nicht nutzbar sind, während die Pariser Arena mit U-förmigen Rängen (neben der Sportnutzung) eine reine Theater-Arena ist.

Mylène Farmer dampfte sie aber umgehend wieder ein, indem fast die Hälfte des Innenraums für die Bühne in Beschlag genommen wurde und somit Platz für "nur" noch 27.000 Zuschauer blieb. Das klingt erstmal weniger spektakulär, man muß sich aber klarmachen, daß auch diese halbe Halle einen unvorstellbaren Luftraum hat. Wer ihre "heilige Kathedrale von Bercy" (auch bekannt als "Palais Omnisports" ;-) mal gesehen hat, kennt die Wirkung des gigantischen Lichtraums über den Köpfen, hier war dies noch einmal ein Vielfaches und erschlug einen bereits, wenn man das Auditorium betrat. Die nackten weiteren Daten - 460 Tonnen Bühnentechnik, 150 Tonnen davon an der Decke - runden das Bild ab, man konnte und mußte sich auf eine Materialschlacht von biblischen Ausmaßen vorbereiten.

Die Frage war, wie diese nach dem Tod von Mark Fisher (ihrem genialen langjährigen Bühnenbauer, Architekten und Vertrauten) wirken würde und ob sie die künstlerische Magie ihres visuellen Werks bewahren kann - oder ob diese durch blanke, rohe, gigantomanische Gewalt ersetzt würde. Ich nannte ihr Opus Magnum "Avant Que L'Ombre" 2006 in Bercy einmal "wie eine Phantasmagorie von Jules Verne unter Regie von Leni Riefenstahl". Um es vornewegzunehmen, es ist sehr sehr viel Leni Riefenstahl in ihrer Show von 2019, aber zum Glück auch weitaus mehr als nur das. Mark Fisher war nicht zu ersetzen, viel von seiner Handschrift und seinem Stil ist nicht mehr da - eine gewisse Verspieltheit, ein Kaleidoskop aus kleinen Details. Die Show 2019 ist grafischer und großflächiger - gigantische, klar strukturierte Formen und Elemente, die durch massive Größe wirken, aber ihr Einsatz ist dann doch auch wieder verspielt, und so ist es keine seelenlose Materialschlacht, sondern eine sehr poetische, die nicht allein den Kopf erschlägt, sondern den Geist anregt und die Gefühle weckt. Es ist nicht mehr Mark Fisher, aber es ist etwas anderes, und dieses Andere ist gut.

Die Ouvertüre war wie immer das bestgehütetste Geheimnis. Daß Madame gerne fliegt, ist inzwischen hinreichend bekannt, und wenn sie nun in der größten und höchsten Halle Europas auftritt, hat man wetten können, wie sie die Bühne betritt... nämlich von oben. Im Luftraum hängen sieben seltsame unterschiedliche Elemente (dreieckige Körper mit Screens an den Seiten, auf denen zunächst zwei Stunden lang Bilder von Wassertropfen herabfließen).

Es kündigt sich mit sporadisch statischem Rauschen auf den "Elementen" an, auf denen dann verzerrte Frauengesichter erscheinen. Über den Köpfen hängen drei gigantische konzentrische horizontale Ringe mit Scheinwerferphalanxen, die sich in Bewegung setzen und dreidimensional auseinanderklappen, bis schließlich - unter dramatischen Soundscapes - ein blendend weißer großer vertikaler Ring von der Decke schwebt. Von der Seite angeleuchtet sieht er von jeder Seite wie eine Mondsichel aus, und im Inneren steht Madame, einen Schritt vom Abgrund entfernt, bis der Ring (sich langsam drehend) die rund 50 Meter große Höhe herabschwebt.

Farmer war im Grunde kaum gesichert, in ihrem Rücken war ein kleines Gestell, gegen das sie sich zurücklehnte, vorne nur ein kleines schmales Band in Hüfthöhe und eine Hand an einer kleinen Stange. Weiß man dann noch, daß Farmer unter anderem an extremem Vertigo leidet, hat man die passende Ouvertüre zu ihrem Konzert - eine psychotische Dämonenaustreibung ihrer eigenen Geister in der Verkleidung eines bunten Popkonzerts. Die Mondfahrt endet in der Mitte des Auditoriums, wo sie den Ring verläßt und über den Catwalk zur Hauptbühne läuft, zu den schrillen Gitarrenakkorden von Interstellaires, dem Stadiumrock-tauglichen Titellied ihres vorletzten Albums, das zusammen mit dem aktuellen Album "Désobéissance" die Grundlage für das Konzert 2019 legt.

Und an dieser Stelle wird bereits die eine (aber nicht unerhebliche) Achillesferse ihrer Inszenierung deutlich - diesmal ist es im wahrsten Sinne des Wortes ein Konzert für die Galerie... denn die gesamte Inszenierung scheint ausschließlich für die Tribünen ausgelegt zu sein, und ausgerechnet die Zuschauer im Innenraum geraten zur Staffage, die sogar selbst zum Teil der Visualisierung werden. Die Bühne hat einen brutal großen Screen im Hintergrund, auf dem pausenlos gestochen scharfe Animationen laufen, dazu fliegen von der Decke weitere große Formen (mit Screens) ein und auf dem Boden rollen Gegenstücke dazu, die sich immer wieder mit den fliegenden Teilen zu großen Türmen, Formen und Elementen verbinden. Alle zeigen dabei ebenfalls animierte Filme, so wie umgekehrt der große Screen hinten identisch wirkende materielle Elemente vorgaukelt, und so verschmelzen die realen (physischen) Objekte mit den virtuellen zu einer 3D-Landschaft, und irgendwann gibt das eigene Gehirn auf und versucht nicht mehr, das Reale vom Projizierten zu trennen.

Aber - das kann nur aus einer größeren Distanz wirken, und im Innenraum hat man keine Chance, die gesamte "Welt" in der Arena zusammenhängend zu sehen. Und selbst Farmers Flug in der Mondsichel ist von unten kaum erfaßbar – ein Kollege im Innenraum bestätigte mir, das Ganze hätte wie ein landendes Ufo ausgesehen, den Mondsicheleffekt sah er erst hinterher in Videos. Und es kommt noch drastischer, die erwähnten drei Lichtringe an der Decke werfen pausenlos hypnotische Muster... und zwar auf die Zuschauer unten, die der ganze Saal sehen kann, nur sie selbst nicht, und die gefühlte Million Scheinwerfer in der hinteren Halle ziehen ebenfalls in ihren dramatischen Lichtfahrten Spuren über die Zuschauer unten, die so quasi zu einer gigantischen Leinwand gemacht werden.

Sind all das nur Teile der Show, die man nur von weiter hinten richtig sieht, ist eine andere Sache vor dem Bühnengraben hochproblematisch. Der Catwalk wird nämlich nach dem ersten Stück eingefahren, und damit rutschen mehrere hundert Zuschauer in der entstandenen Lücke in der Mitte nach vorne. Nur um in der Mitte des Konzerts wieder auseinandergedrängt zu werden, wenn (clever vertarnt für die Tribünen – das war nie richtig auffällig, weil zeitgleich immer etwas Spektakuläres auf der Bühne zu sehen war...) der Catwalk für die Acoustic-Songs erneut ausgefahren wird... und danach ebenso erneut verschwindet und den Innenraum ein drittes Mal durcheinandermischt. Es war augenfällig, daß es diesmal nach der Premiere keine stunden- und kilometerlangen Schlangen für den Innenraum mehr gab, und man kann vermuten, daß sich die Erkenntnis rumgesprochen hatte, ohnehin während des Konzerts gewaltig rechts/links und nach vorne/hinten geschoben zu werden und man folglich keinen eigenen Wunschplatz mehr ansteuern konnte.

Auf der anderen Seite sind viele Aspekte der Bühne aber auch clever durchdacht, wie die schon angesprochenen sieben merkwürdigen "Flugobjekte". Ein Dilemma von Konzerten dieser Größenordnung ist die Frage, ob man der Künstlerin (von den oberen Tribünen in der Größe einer Ameise) selbst zusehen oder weit links/rechts auf die Leinwand schauen soll, die sie in Großaufnahme zeigt. Am Ende ist es meist Letzteres, was aber die Frage aufwirft, warum man sich in einer Konzerthalle einen Fernsehfilm ansieht. Hier erschien aber ihr Live-Bild die meiste Zeit auch auf den Objekten im Luftraum, die durch ihre unterschiedliche Größe und ihre ständigen langsamen Bewegungen wie ein riesiges Mobile wirken. Sie gehören als visuelle Elemente somit zum Bühnenbild selber, man sieht Farmers Großaufnahmen gleichzeitig darauf, während man dem Gesamtbild folgt, und muß somit nicht zwischen dem realen Zusehen und den Fernsehbildern auf einer externen Leinwand umschalten. Das ist ein brillanter Kunstgriff, auf den bislang einfach noch niemand gekommen ist.

Das Konzert unterteilt sich klar in drei Phasen, und Akt I gehört der "hellen Mylène". Womit wir endlich zur Musik kommen...

"Timeless" hatte 2013 eine ähnliche Dramaturgie vom Hellen zum Dunklen, aber das Konzert hatte einen klaren Zusammenhalt, es gab einen einheitlichen Flow (musikalisch, visuell, emotional), der alles in einem Guß zusammenführte. Das fehlte mir 2019 zunächst ein wenig, der Anfang der Show erschien mir erstmals wirklich wie "ein Konzert", mit losgelösten Nummern. Die allerdings Stück für Stück der Hammer waren. Interstellaires ist ein genialer Opener (den Gitarrenriff bekomme ich stundenlang nicht mehr aus der Birne, wann immer ich ihn einmal höre), und danach Sans Logique zu hören, ist unglaublich. Die Single stammt von 1988, führte damals in Deutschland zu Farmers kompletter Indizierung (und hierzulande damit zum Ende ihrer Karriere als Popmusikerin, bevor sie begonnen hatte) und wurde nach ihrer ersten Tour 1989 niemals mehr live gespielt. Auf dem Screen erschienen als Zitat des alten Videos zwei monströse Hörner und davor ein glühender Tierschädel... hatte ich "helle Mylène" gesagt? In Relation...

Nicht alles funktioniert so, ein wenig enttäuscht bin ich von Pourvu qu'elles soient douces (auch bekannt als "Libertine II"), dessen Video-Clip bis heute der teuerste in der Geschichte Frankreichs ist, und ausgerechnet hier reduziert sich das Bühnenbild auf große geometrische Formen. Da wäre mehr Potential gewesen.

Anderes funktioniert glänzend, Stolen Car kommt (ähnlich wie das Moby-Stück 2013) als virtuelles Duett mit Sting, der auf den sieben Flugscreens singt. Brillant ist California, bei dem die gigantischen drei Lichtringe wieder durch die Luft drehen und zu den weißen Suchscheinwerfern in blau/roten Farben die Lichtwelt vom Video 1995 und der Bühne 2006 rekonstruieren. Und es gibt in der "hellen" Hälfte mit M'effondre ein Yin im Yang, zu dem Schwarzweißfilme einer zerfallenden morbiden Metropole laufen, mit schwarz/weißen flackernden Linien, die wie Spinnfäden aussehen.

Eines fällt auf, Farmer wirkt durchgehend sehr ernst, die Screens zeigen ein konzentriertes, fast ängstliches Gesicht. Und sie verzichtet auf etliche gewohnte Manierismen, vor allem die klassischen "Audience Participation"-Momente. Das wird am augenfälligsten bei L'Âme-Stram-Gram, ihrem kryptischsten Lied der Karriere, wo sie im Stade de France die Schlüsselstelle - den diabolisch deformierten Kinderreim "Âme-stram-gram, Pique et pique et colégram, Bourre et bourre et ratatam" - explizit vom Publikum mitschreien ließ, während diesmal die Band die Passage mit vollem Druck durchspielt und sie die Zeilen selbst wie beiläufig murmelt.

Die Nummer beendet Akt I, der mich am Dienstag ein wenig ambivalent zurückließ. Am zweiten Tag darauf nahm ich ihn deutlich "runder" und kohärenter auf, auch wenn ich weiterhin eine komplett durchgehende dramaturgische Linie ein klein wenig vermisse. Aber das ist alles nebensächlich, denn *dann* passierte es.

Traditionell in der Mitte kommt der Acoustic-Block (der Catwalk war auf mysteriöse Weise wieder im Innenraum zurück, mit ihrem Pianisten am Flügel in der Mitte), und es folgt das bizarrste aller ihrer Rituale. Und wer es nicht einmal wirklich erlebt hat, bleibt da bei den Videos immer ziemlich fassungslos zurück... Es beginnt mit Un jour ou l'autre vom vorletzten Album, eine naheliegende neue Nummer, ihre Stimme ist fest und klar, die Tonlage liegt ihr und sie kommt sicher in den Set. 27.000 Menschen starren auf einen kleinen weißen Lichtfleck und wir fühlen uns nach Notre-Dame versetzt.

Der Wendepunkt ist Ainsi soit je, das (im Refrain in dieser Tonhöhe fast unsingbare) Lied von 1988, das sie sich noch einmal traut und bei dem es unmittelbar knallt - das volle Programm! Sie bricht in Tränen aus und die erste Zeile ab... ihr Pianist versucht eine "Warteschleife", bricht aber ebenfalls rasch ab. Ich vermisse Yvan Cassar, der über Jahre einen siebten Sinn für Farmers Dropouts entwickelt hatte, aber ihr neuer Pianist Johan Dalgaard agiert brillant. Nach zwei Minuten dröhnendem Applaus beginnt Farmer erneut und kämpft sich tränenerstickt durch die ersten Zeilen, danach wird es stabiler, sie übersteht zwei Refrains und dann ist es - nicht unerwartet - schlagartig ganz aus, ihre Stimme bricht weg und ein Chor aus 27.000 Zuschauern übernimmt in einem leisen, sakralen Klangteppich von Chorgesang das Lied.

Ich nannte das früher einmal "psychisches Stagediving", und genau das ist es... statt sich körperlich in die Zuschauer zu werfen, stürzt sie sich psychisch von der Bühne und läßt sich von den Stimmen auffangen - das ist bizarr, grotesk und niemandem vermittelbar. Im Film sieht es inszeniert und gewollt aus, aber nachdem ich (mit ursprünglich maximaler Skepsis) 2009 und 2013 zweimal unmittelbar in ihrer Nähe stand, als es passierte, glaube ich nicht mehr an eine bewußte Inszenierung, jedenfalls nicht direkt. Das würde so einfach nicht funktionieren, nicht 30 Jahre lang. Ich denke, sie nimmt es "billigend in Kauf", sie weiß, daß es passiert, und unternimmt nichts dagegen - insofern ist es auch mit Intention. Aber ich bin mir heute sicher, daß der Augenblick selbst nicht kontrolliert ist - und selbst Ivan Cassar wurde über die Jahre zweimal kalt erwischt. Einmal spielte er weiter, als sie kollabierte, und einmal spielte er eine Warteschleife, während sie weitersang... das war göttlich.

Von diesem Lied an "hatte sie mich", die Klammer, die mir in Akt I gefehlt hatte, war die Emotion, die ab hier da war und bis ins Finale das Konzert auch für mich homogen machte. Der Acoustic-Block endet mit einem fantastischen Innamoramento, das sie auch nur ein einziges Mal 2000 live gespielt hatte und einem als Acoustic-Version erst richtig aufzeigte, was für eine unglaublich starke Nummer das schon immer war. Madame schritt nach dem Lied wie gewohnt von der Bühne ab und die Band spielte (vergleichbar zu Diabolique mon ange 2013) das Stück noch einige Minuten als furiosen instrumentalen Jam weiter, um Madame eine weitere Umkleidepause zu verschaffen.

Der folgende Akt II war dann die "düstere Mylène"... der mit einem Lied der "großen 3" beginnt, Sans contrefaçon, vor 30 Jahren der erste Popsong der Geschichte über Transgender, bevor dieses absolut ernste Thema heute zu einem albernen und deplazierten Modethema wurde. Das von mir mit Spannung erwartete Histoires de fesses gerät zu einer morbide fröhlichen Tanznummer zu Animationsfilmen deformierter nackter Körper, die sich aufblähen, zusammenschmelzen und verbinden - ein nackter Mann läuft über die Leinwand, dem ein zweiter nackter Mann mit dem Kopf in seinem Hintern verschmolzen ist, bis beide wie heißes Wachs zerlaufen. Während des Spektakels wird der Catwalk wieder abgebaut - und man verpaßte wieder, dabei hinzusehen... Mission accomplished.

Wie im Akt I gibt es nun ein Yang im Yin mit dem etwas leichteren Sentimentale, gefolgt von dem Lied ihres Lebens - Désenchantée, die Hymne der französischen Gesellschaft gegen die falsche Seite der eigenen Nation, und wo wir im Anglo-Amerikanischen von einer "Generation X" sprechen, heißt diese in Frankreich durch Farmers Lied im etablierten Sprachgebrauch "Génération Désenchantée". 2019 spielt Farmer es düster und zurückgenommen auf einem Podest über dem Innenraum fliegend zu Bildern von Eislandschaften und Schneebergen, ein Hauch von ewigem Winter und "Game of Thrones".

Es folgt eine hochemotionale Version von Rêver (dem dritten und letzten gesetzten Klassiker) mit minutenlangem Chorgesang der ganzen Halle. Auch wenn der frühere Acoustic-Klassiker wie im Finale 2013 wieder elektrisch gespielt wird, gerät das Lied in hohem Maße sakral, und umso lustiger ist es, daß Farmer am Mittwoch ausgerechnet bei diesem Lied ein (bei ihr total seltener) kompletter Fuckup passiert - in das Intro des Lieds singt sie plötzlich die erste Zeile von Innamoramento, woraufhin sie so ins Lachen kommt, daß auch der zweite Start mißlingt und sie erst im dritten Anlauf in das Lied hineinkommt.

Dann ist noch einmal das "Game of Thrones"-Zitat zurück, als Farmer auf einem schroffen und gefährlich wirkenden Thron Je te rends ton amour singt. Das Konzert endet mit einem genialen "Mesh Up". Sie spielt die Strophen von C'est dans l'air zu einem harten, brachialen an Depeche Mode erinnerten Backingtrack und verbindet es mit dem Refrain von Fuck them all. Ganz ehrlich... ich hab den Refrain von C'est dans l'air nie leiden können, und diese Montage klingt perfekt. Wann kommt die Live-CD raus? Will ich haben, und zwar sofort... Dazu erscheinen ihre TänzerInnen in Kostümen wie aus dem "Metropolis"-Film von Fritz Lang. Die Show war bis hierhin immer dunkler und düsterer geworden, aber das absolute Fanal sollte jetzt noch kommen.

Die Zugabe des Konzerts ist ein Schock. L'Horloge ist ein weiteres Stück von 1988 und war auf ihrer ersten Tour das Intro. Das Gedicht ("Die Uhr") stammt aus dem Gedichtband "Die Blumen des Bösen" von Charles Baudelaire von 1857 und wird von Farmer mit getragener Stimme zu einem Backingtrack mit Chorgesang vorgetragen. Auf dem Screen erscheint eine langsame Kamerafahrt über einen Friedhof, die dann über eine zerstörte Zivilisation fliegt, die mit Totenschädeln übersäht ist. Je intensiver der Vortrag wird, Farmer steht in einem feuerroten Kleid allein auf der gigantischen Bühne, umso monströser türmen sich die Millionen an Schädeln auf, bis die Kamerafahrt am Ende des Gedichts vor einem apokalyptischen gigantischen Turm aus Gebeinen endet. Und dieser entzündet sich, setzt die komplette Bühnenlandschaft in ein Feuermeer, aus dem Bühnengraben lodern hohe Flammen (genial mit Nebelwerfern und blutroten Scheinwerfern generiert), Farmer erklimmt einen Turm auf der Bühne, winkt ein letztes Mal und "verbrennt" kurz vor dem Moment, als das Feuer stoppt und die Bilder einer verkohlten Aschelandschaft zurückläßt. Dantes Inferno.

Die Symbolik dieses Finales und Fanals hat aktuell ziemlich verstört und die traditionelle Debatte darüber ausgelöst, ob dies jetzt Farmers Abschied ist. Ich denke nicht, daß man es nur allein daraus ableiten kann, zumal sie 2006, 2009 (in den Hallenkonzerten) und 2013 im Finale ebenfalls stets auf der Bühne "gestorben" ist. Es spricht einiges dafür, aber auch einiges dagegen. Und es kann gut sein, daß sie es aktuell selbst nicht weiß.

Es bleibt jetzt noch eine Frage - die ich mir selber immer wieder beantworten möchte: Warum? Was genau verursacht bei dieser Frau eine derartige Faszination, die eine komplette Nation seit 30 Jahren in den Bann schlägt?

Wir kennen alle Kylie Minogue, oder? Die kann richtig gut singen (wenn wir alle mal ehrlich sind), und sie macht gute Popmusik mit schönen Melodien, die man eigentlich gerne hören möchte (ich liebe Confide in me) - wenn sie (für ein Rockpublikum einerseits und ein Feuilletonpublikum andererseits) nur nicht so simpel gestrickte Inhalte hätte... Für ein Pop-Publikum ist sie toll, ein Rock-Publikum wendet sich ab.

Und dann kenne ich Diamanda Galas. Die kommt aus der Hochkultur und spielt eine erschreckende Musik. In ihrem Hauptwerk, der "Plague Mass", verarbeitete sie den langen und entsetzlichen Aids-Tod ihres Bruders, und bei der Live-Aufführung ließ sie sich in aufgegebenen alten Kirchen nackt an ein Kruzifix hängen und mit 1000 Liter Ochsenblut überschütten. Ihre Musik ist radikalste atonale Experimentalmusik und ihr Gesang ist ein infernalisches besessenes Schreien. Sie ist brillant, aber wer hört sich das an? Nicht viele...

Es müßte irgendwie eine Mitte geben, eine Marriage... etwas gut Hörbares, etwas Schönes, das aber nicht banal ist. Es müßte Raum haben für die finstersten Gedanken und Dämonen, für die Abgründe der menschlichen Seele, für die grausamsten Ängste, aber es müßte gleichzeitig menschlich und zugänglich sein. Es sollte selbst kunstferne Menschen oder Kinder packen, die es gar nicht verstehen können, aber dadurch in die Kunst hineingezogen werden und mit den Jahren immer mehr davon entdecken. Es sollte daher auch nicht in Hinterhöfen für ein kleines Kulturpublikum versteckt sein, sondern groß und offen für jeden sichtbar. Aber es dürfte dabei keine herablassende Anbiederung an einfache Menschen sein, es müßte irgendwie jeden Zuhörer ehrlich erreichen können, quer durch die Gesellschaft, vom einfachen Arbeiter bis zum Literaturstudenten, vom begeisterten jungen Mädchen bis zum desillusionierten alten Mann.

Mylène Farmer.


(© Empire Magazin 2019)
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