Das war zunächst wieder mal "Spaß mit Frankreich" gestern, in voller Breitseite. In der Innenstadt halten nämlich im gesamten Dezember die Trams nicht mehr, scheinbar wegen "Sicherheit" (eh?) in Bezug auf die Weihnachtsmärkte. Was auch immer das bringen soll, denn sie fahren ja durch. Sprich, zwischen den Marktteilen und den Schienen ist ein Absperrgitter (es können also ohnehin keine Leute zwischen den Ausstiegszonen und den Märkten wechseln), die Trams verlangsamen an den Stationen bis zum Stillstand und fahren dann lediglich los, ohne die Türen zu öffnen. Da wir in die Stadt wollten, ergab das also zwei zusätzliche ausgedehnte Abendspaziergänge ab dem Place de la Republique und wieder zurück.
Richtig lustig wurde es dann im Saal, wir hatten 6. Reihe Mitte (selber aus dem Saalplan gepickt), das ist die erste Reihe vor der Gang-Traverse, direkt vor der Bühne sind 5 Reihen. Wir kommen rein, die letzte Reihe vorne ist 5, die erste Reihe dahinter ist Reihe 7. Ein wenig ratlos hin- und hergelaufen, dann kam eine freundliche Dame, inspizierte unsere Karten und erklärte mir dann erleichtert, daß es die 6. Reihe ja gar nicht gäbe! Ach so... ja nee is klar, mein Fehler.

Sie nimmt uns mit und rennt kopflos wie ein Hühnchen hinter den ersten 5 Reihen herum. Ich sehe auf ihren Zettel, und da sind die kompletten Reihen 3 und 4 (mittleres Drittel) farblich blockiert. Offenbar sollen wir da hin, sie hat aber Probleme, die Reihen 3 und 4 (bzw. auf ihrem Plan die Markierungen "nicht / nicht / frei / frei / nicht" von der Bühne weg mit den Reihen 1-5 im real existierenden Saal in Verbindung zu bringen. Nach einigem Rumlaufen reift in ihr die Theorie, wir könnten uns ja eigentlich in Reihe 4 setzen. Sie zeigt mir eine einzelne Lady in Reihe 4, und ob ich die Plätze links von ihr sehen würde? Das hab ich tatsächlich grade noch hinbekommen, und da saßen wir dann, schön in der Mitte. Auch gut.
Mit den nachfolgenden Reihe-6ern ging es dann genauso, wobei sie die Reihen nicht von der Mitte her, sondern von außen befüllte, so daß die letzten Nachfolger dann maximal über die anderen klettern mußten. Als vorher außen nur noch ein Sitz frei war und zwei Leute kamen, bat sie uns dann, wir sollten alle eins nach innen rücken. Man kann gegen Franzosen sagen, was man will, aber flexibel sind sie...

Nun... die Sitze sehen anders aus als in meiner Erinnerung (als wir mit The Musical Box dort waren), offenbar sind sie neu und die Reihe 6 existiert jetzt nicht mehr (außen war noch 1 (!) Sitz allein in der Landschaft mit "Reihe 6"), und irgendwie bekommen sie die aus den Ticketsystemen nicht raus. Deshalb haben sie die Reihen 3-4 in der Mitte geblockt und setzen alle um. Nun *könnte* man ja auf die Idee kommen, stattdessen einfach die Reihe 6 zu blocken, statt sie zu verkaufen und danach alle auf die 3-4 umzutopfen. *Könnte* man... muß aber nicht.

Genug gelästert, zum Konzert. Phä-no-me-nal, unglaublich. Wenn ich die persönlich emotionale Komponente von Slapp Happy herausnehme, war das mein Konzert des Jahres.
Ich bin *kein* Sound-Fetischist bei Konzerten, es darf zwar nicht matschen, ansonsten erwarte ich aber keine Studio-Qualität (und will sie auch nicht). Aber der Sound gestern, Du meiner Treu, ich kann mich in meinem Leben jedenfalls an keinen besseren erinnern. Ich habe *keine* Ahnung, was die mit dem Schlagzeug gemacht haben. Zur Erläuterung muß ich sagen, daß der Saal im Palais gigantisch hoch ist und hinten nur kleine Seitengalerien hat, die kaum den Schall brechen. Sprich, das Ding sieht majestätisch aus, hat aber bei Rockkonzerten ein echtes Problem mit Hall. Nun, die Bass-Drum und die Toms hatten Reverb wie in der Grande Cathedrale di Milano, dies aber *nur* in den Bass-Frequenzen. Und die Snares und Hi-Hats haben kno-chen-trocken gezischt wie in der Wüste Gobi (trockentechnisch gesehen..). Das Ergebnis war unglaublich, der Mann hat locker lässig filigran getrommelt, und geklungen hat es wie John Bonham (unselig) in Wacken...
Der Rest der Band absolut sauber, kristallklar, und auf der Basis das ganze Konzert wie aus dem Handgelenk in einem Club-Gig runtergespielt. Die Lead-Gitarristin Marie Lalonde hätte ein itsy-bitsy-teenie-weenie klein bißchen lauter sein dürfen, aber ansonsten einfach Hammer, Hammer und nochmal Hammer. Die Band hampelt zu keiner Zeit genialisch rum, sondern sie spielen einfach mit einer Dynamik und einem Drive, daß einem das Adrenalin in den Kopf schießt. Ich bereue es jetzt, nicht auch in Luxembourg gewesen zu sein, um den Unterschied im Konzert-Charakter zu erleben. Das Palais war nicht ausverkauft, aber die Haupttribüne war komplett voll, die drei kleineren Galerien zur Hälfte, die allerhinterste Galerie oben war nicht im Verkauf.
Die erste Hälfte des Konzerts war vom Charakter her sehr konzertant, auch bei den schnellen/lauten Nummern. Daß Zazie so eine Plaudertasche ist, wußte ich nicht... ein paar Ansagen waren länger als der Song.
Der Wendepunkt war "Si j'étais moi", nach dessen "Great Gig In The Sky" Vocal-Jam von Zazie die Leute aufsprangen und minutenlange Standing Ovations gaben. Ab da gab es dann das bekannte "Aufstehen/Hinsetzen" Spiel bei jeder schnelleren Nummer... aber das Problem gibt es mit jedem bestuhlten Rockkonzert, auf dem überwiegend tanzbare Nummern gespielt werden.
Zur Lightshow - eigentlich eher schlicht, aber extrem wirkungsvoll eingesetzt. Hinten standen kleine Screen-Boxen wie Schachteln herum, auf denen kleine Muster liefern (Flammen bei "Petroleum", und das mit zwei Drummern und einem komplizierten Rhythmus... Yeah! "Apocalypsé Mon Ange in 9/8 with an Elmfire Strand"

Von der Decke hingen die Glühlampen, die es wohl schon bei Cyclo gab. Die Scheinwerfer waren, eigentlich, wirklich simpel, nur drei von hinten/oben, die aber komplizierte Muster machen konnten, der gesamte Luftraum über der Bühne war die ganze Zeit völlig gleichmäßig eingenebelt, so daß es perfekt aussah, und die Programmierung war extrem einfallsreich, z.B. farbige Muster als Stroboskop. Tierisch einfach eigentlich, aber gesehen hatte ich es so wirkungsvoll noch nicht.
Und dazu passend auch noch Zazies Bühnenoutfit, dunkle Jeans, dunkles Hemd, that's it. Ein paarmal bricht sie in wildes Tanzen aus, die meiste Zeit bewegt sie sich spartanisch, natürlich, without further ado. Kein Diva-Gehabe, die Ansagen schnattert sie minutenlang im Zeitraffer, ich hab keinen blassen Schimmer worüber, aber die Leute biegen sich vor Lachen. Und vor "Tout le monde" fragt sie etwas (hab nur das Wort "problème" verstanden), direkt hinter mir winkt einer mit einem Blumenstrauß und wird daraufhin auf die Bühne geholt. Der Typ heißt "Davide", bekommt ein Mikro in die Hand gedrückt, den Teleprompter unten gezeigt und dann darf/muß er plötzlich mit der Band das komplette Lied allein singen, während sich Zazie unten auf die Treppe im Gang setzt und sich die Nummer in Ruhe anschaut...

an Erzengel - hat sie das auch in Luxembourg gemacht? Der Typ war wohl kein Fake, hab gesehen wie er von seiner Entourage am Sitz zurückempfangen wurde, die waren stunned & shocked.
Ganz am Ende (Zugabe "Larsen") spielten sie dann mit den Ukeleles am vordersten Bühnenrand, Ausflug ins Publikum war im Palais durch die Sitzreihen nicht drin. Genialer Gig, unglaublich Spaß gemacht, im Grunde eine einfache Bühnenproduktion, aber handwerklich, musikalisch und emotional perfekt auf den Punkt gebracht.
PS: Bei "Rodéo" hatte sie ihren eigenen Einsatz verkackt, und daraufhin die komplette erste Strophe genau darüber improvisiert...
