Da ich diesbezüglich in einem früheren Leben vom Fach komme, mische ich mich mal ein... ich denke, der Bezug ist eindeutig auf die Mathematik, und zwar auf die Infinitesimalrechnung. Das "Epsilon" ist ein beinahe universelles Basis-Werkzeug in der Mathematik, und die von imagine benannten "Supremum" und "Infimum" lediglich Spezialfälle.imagine hat geschrieben: 26. Dez 2021, 11:11 Das ist sicherlich auf die Verwendung in der Mathematik bezogen, da gibt's ja einige Möglichkeiten
Wir können aber davon ausgehen, daß Mylène (bei aller Achtung vor ihrer Bandbreite an Bildungsbürger-Wissen) eine mathematische Metapher auf den einfachsten und elementarsten Fall bezieht, und nicht auf (beliebig) kompliziertere und speziellere Einsatzmöglichkeiten.
Das "Epsilon" wurde in dieser Funktion von Newton und Leibniz im 17. Jahrhundert gleichzeitig aber völlig unabhängig ersonnen, weil beide mit "Bauchgefühl" allein nicht mehr weiterkamen und ein überprüfbares Kriterium dafür brauchten, wann eine Zahlenreihe "konvergiert", also auf einen festen klaren (und benennbaren) Wert zuläuft.
Einfaches Beispiel sind die Brüche, also: 1, ½, ⅓, ¼, ⅕, ⅙,...
Jedes Kind sieht, daß diese Reihe "auf 0" zuläuft, aber wie definiert (und überprüft) man das, wenn es nicht so offensichtlich ist - und, schlimmer noch, selbst Newton und Leibniz griffen vorher mehrmals schmerzhaft ins Klo, weil ihr Bauchgefühl etwas sagte, was gar nicht zutraf.
Die Lösung ist das Epsilon, und das Kriterium für Konvergenz einer Zahlenreihe auf einen festen Grenzwert lautet: Für jedes (beliebig kleine, aber fest gewählte) Epsilon größer Null gibt es eine (beliebig große) Stelle in der Zahlenreihe, hinter der *alle* (!) weiteren Glieder einen kleineren Abstand zum Grenzwert als das gewählte Epsilon haben.
Es ist klar, daß Mylène genau *diese* Metapher meint, weil die Zeile zu einer früheren Zeile in der ersten Strophe paßt, und zwar:
"Epsilon" und "Unendlichkeit" sind die beiden Basis-Begriffe in diesem einfachsten und elementarsten Einsatz des Werkzeugs in der Mathematik. Überträgt man das definierte Verhältnis Epsilon/Unendlichkeit in eine allgemeine Metapher, dann lautet er wahlweise "Je kleiner mein Epsilon wird, um so weiter muß ich mich der Unendlichkeit annähern, um es zu erfüllen" oder alternativ "Je weiter ich in die Unendlichkeit komme, umso kleiner kann auch mein Epsilon sein".Questionnant l'infini (Unendlichkeit in Frage stellen)