Erzengel hat geschrieben:Aber ich glaube nicht, dass die Preise für Eintritt und Merchandising wirklich nötig sind, um die Kosten der Tour zu decken.
Da ich ein paar Leute aus der Branche kenne, hab ich schon 2009 aus Spaß und Interesse ganz gern mal die Eckdaten der damaligen Tour fallen lassen - also Zahl der Konzerte, Hallengröße, Tour-Etat, Zahl der Trucks und Größe der Crew. Der Mann von einem der größten deutschen Veranstalter hat 10 Sekunden nachgedacht und mir dann GaGa Handbewegungen gemacht...
Mit den Tickets ist das nicht finanzierbar - und ohne die Hallen in Moskau und St.Petersburg wäre das sogar katastrophal. Zusammen mit dem Merch haut es dann langsam hin, und wenn Universal selbigen nicht so grandios verkackt hätte, dann wahrscheinlich sogar richtig lukrativ.
Was die Schamgrenzen angeht, hat Erzengel 100% Recht, wobei man sich halt klarmachen muß, daß das soweit völlig in Ordnung ist. Es geht um Angebot und Nachfrage, und wenn jetzt ein Konzert XY mit einem Ticketpreis von 300 Euro ausverkaufen *kann*, die Tickets aber für 100 Euro verkauft werden, dann schöpfen die weiteren 200 Euro die Schwarzhändler ab, nicht mehr und nicht weniger. Für den Fan ist es letztlich - im Durchschnitt - dadurch ja nicht billiger.
Die 65-140 Euro dieses Jahr waren offenkundig perfekt gewählt. 2009 war es faktisch das gleiche Preis-Level, es gab aber (zumindest im Stade de France) einen riesigen Schwarzmarkt, der gegen Ende übersättigt war. Als ich meine Tickets "nachgelöst" habe, gab es auf eBay und PriceMinister jeweils über ein Dutzend Tickethändler, die offenkundig noch dreistellige Kontingente hielten, und mit 20% - 50% Nachlaß verkauften. Und man kann ruhigen Gewissens davon ausgehen, daß diese "Schwarzhändler" ganz reguläre Restkontingente vom Veranstalter anboten - wenn ein Veranstalter merkt, daß es regulär nicht ausverkauft, dann macht er den Topf zu und gibt seine Kontingente für einen Bruchteil an externe Händler ab. Das hat den Vorteil, daß er nicht selbst durch "Sonderangebote" preisgeben muß, daß sich die Produktion verspekuliert hat, er aber trotzdem sein Geld bekommt, als hätte er Sonderangebote geschaltet.
Ich habe dieses Jahr unmittelbar vor den Konzerten jeweils die Internet-Platformen abgesucht und nirgendwo Massenverkäufe gefunden, und auch vor den Hallen sah man überwiegend nur Privatverkäufe. Somit hatte man wohl ca. 95% - 100% Abdeckung mit regulären Karten und das ist eine Punktlandung.
Was die Preise von "früher" angeht... Früher war Früher, und Heute ist Heute. Wenn ich jetzt damit anfange, was früher alles anders war, dann wird ein Buch draus... bis hin zu dem Punkt, daß man vor 20-25 Jahren als Veranstalter die städtischen Hallen faktisch zum Nulltarif bekommen hat. Und daß U2 und Pink Floyd ihre Touren weltweit spielen (dafür früher in Deutschland 0% Steuern bezahlten) und nicht die komplette Produktion in einem einzigen Land finanzieren müssen.
Ich versuchs dann immer mit einem einfachen Plausibilitäts-Gedanken: Ihr habt damals nur 50 Mark für ein Ticket bezahlt? Alles andere war auch billiger, und nicht nur für Euch, sondern auch für die Künstler und den Veranstalter und die Crew, und deshalb mußten die auch nur so wenig verdienen, weil sie *selber* noch alles andere damit bezahlen konnten. Gebt allen Beteiligten einer Tour in ihren Leben die Preise und Möglichkeiten von 1980, und dann müssen sie auch nur die Preise von 1980 verlangen...
