So, ich kann derzeit Bob nicht erreichen, wobei ich mir da auch über die Drums keine große neue Erkenntnis erwartet hätte. Wenn die Tour rum ist sprech ich nochmal mit ihm, aber ich kenne ihn als exzellenten Musiker, und daß er nun ausgerechnet in Hamburg nicht sauber gespielt haben soll - das glaube ich erst, wenn ich es höre, Punkt.
Aber ich hab jetzt Antwort vom Chef der Bühnencrew, der das auch nochmal mit dem Soundmann besprochen hat. Ein paar der Infos sind dabei durchaus erhellend, in der Kurzfassung: Der Sound war problematisch, aber jetzt auch nicht schlimmer als auch schon.
Das erste akute Problem war, daß nur 600 Zuschauer da waren und damit das (verkleinerte) Auditorium ziemlich leer. Das hätte man zugegebenermaßen wissen können, und Hamburg gar nicht erst spielen - dazu komme ich am Ende dann auch nochmal. Aber das zweite und ganz wesentliche zusätzliche Problem war ein drastisches Lautstärke-Limit, das sie kurzfristig vor Ort via Hausrecht und unter Androhung horrender Strafzahlungen bekommen haben, und das die Möglichkeit, die akustischen Probleme auszugleichen, gewaltig beschränkt hat. Und bevor jetzt jemand Neunmalkluges "da muß man die Verträge vorher lesen" ruft - wir sind hier in Deutschland, und da ist bei Gesetzen und jedem Standard-Vertrag erstmal alles irgendwie und ganz allgemein "in der Regel" verboten, um es dann im Einzelfall doch zu erlauben. Oder zu verbieten...
Abgesehen davon betrachten TMB die Hamburger Show aber *nicht* als exorbitant schlecht im Sound, sondern nur als "das hätte besser sein können".
Die gemessenen und hier geposteten Werte mit dem Bild hab ich ihm übermittelt, und er ist davon nicht wirklich beeindruckt. Um irgendwie beurteilen zu können, ob (von ihnen unbemerkt, denn es ist ihnen nicht bewußt) mit den Subwoofern etwas nicht gestimmt haben sollte, bräuchten sie die Werte des kompletten Konzerts mit exakter Information, was zu welchem Zeitpunkt gemessen wurde - denn die Frequenzverteilung ist in einigen Passagen über einen längeren Zeitraum sehr unterschiedlich. Er benennt (nur als ein Beispiel) den lauten Jam bei "The Musical Box", wo generell überhaupt kein Low End im Vergleich zu anderen Passagen ist.
Dazu fällt mir jetzt noch selber eine kleine Geschichte ein. Bis vor etwa 4-5 Jahren war neben dem Mellotron ein weiteres wichtiges Instrument nicht so ganz 100% authentisch, und zwar die Bass Pedals von Mike Rutherford. Das Original war verschollen und Rutherford hatte auch nur noch vage Erinnerungen daran. Sebastien verwendete dann ein Moog Taurus und versuchte es mit allen Tricks korrekt klingen zu lassen. Aber er hatte ja den Vergleich zu den Studio-Masterbändern, die TMB von Genesis zur Verfügung gestellt wurden, und wo man die Pedale separat und einzeln klar hören konnte - und der Moog Taurus klang in jeder Hinsicht "zu edel". Dann, schließlich, fand er ein Originalexemplar, es war der Dewtron "Mister Bassman", der ursprünglich als Bausatz verkauft worden war. Klanglich ist das Ding ein Erlebnis, es produziert eine Kombination aus quasi rohen Sinuskurven und klingt exakt so, wie es von Anbeginn hätte sein sollen und man es auf den Studiobändern hört. Nun, wenn *das* Ding nun auf "11" losröhrt und der Rest der Instrumente punktuell auch eher kopflastig ist, dann ist der Keller im Frequenzband halt per Definition ziemlich leer.
Der langen Rede kurzer Sinn - Hamburg war, klanglich, auf der schwächeren Hälfte der Tour, was allen Beteiligten sehr leid tut, aber die eigentliche Ursache für Dein verheerendes Urteil sehe ich weiterhin (und nun abschließend) in dem fatalen Dreier: Die falsche Person, zur falschen Zeit, am falschen Ort.
Was nun Hamburg betrifft - das ist *schon* ein Faktor. Deutschland hat sehr unterschiedliche Landstriche, unterschiedliche Mentalitäten und unterschiedliche Ansprüche. Ich bin mit ein paar Kleinkünstlern befreundet, die in bestimmten Landstrichen sehr willkommen sind, die aber in bestimmten anderen Landstrichen gar nicht mehr auftreten - weil es einfach nutzlos ist, und beiden (den Künstlern wie dem Publikum) nichts als Verdruß bringt. Wenn man aus einer solchen Gegend kommt, kann man dann natürlich die Finger in die Ohren stecken, "Lol-Lol-Lol" singen und behaupten, das könne gar nicht sein, aber das ändert nichts an der normativen Kraft des Faktischen.
TMB haben in Hallen gespielt, die weitaus fürchterlicher als das ColorLine sind - ich denke mit Grausen an die Phoenixhalle in Mainz. Das ist die schlimmste Halle, die ich kenne, und keines der 6-7 anderen Konzerte, die ich dort über die Jahre hören mußte, hatte auch nur irgendwie akzeptablen Sound. Auch nicht TMB, und das haben *alle* Zuschauer gehört, und auch *alle* Zuschauer danach gesagt. Aber es hat niemand "gekotzt", bzw. behauptet, kotzen zu müssen.
Aktuell auf dieser Tour muß wohl auch München schlimm gewesen sein, Sound extrem verhallt, und dann ist ihnen - in Europa exakt zum zweiten Mal seit 2003 - mitten im Konzert die Steinzeit-Gitarrenanlage mit allen Steinzeit-Effektgeräten komplett hochgegangen, was dann nicht, wie sonst, im laufenden Betrieb während des Konzerts gefixt werden konnte. Dadurch mußte das Konzert für 20 Minuten unterbrochen werden, und natürlich ruiniert das fürs Publikum gewaltig den Spaß. Aber so richtig beschwert hat sich überraschenderweise kaum jemand - das Konzert wurde freundlich aufgenommen, und die Defizite mit einem "das war halt nicht so optimal" weggesteckt. Ökonomisch ist TMB in München nicht sehr erfolgreich, aber das Publikum mag sie.
Nun, niemand ist verpflichtet, das auch so sportlich zu sehen, aber es *gibt* da nun mal Unterschiede, und die sehen so aus, daß das Hamburger Publikum - Jahr für Jahr seit 2003 - unisono andere Ansprüche hat, als andere Regionen. Nirgendwo sonst wird so häufig, so heftig, und so aktiv geschimpft, und dann muß man nach 16 Jahren halt irgendwann zu dem Schluß kommen. TMB (als Produktion) und Hamburg werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr werden. Zum Glück habe ich da aber zu diesem Aspekt überhaupt nichts zu entscheiden, und insofern ist es wurscht, was ich denke...
Und noch ein allerletztes von meiner Seite: Es gibt historische Dampfeisenbahnen, und in dieser Metapher sind TMB quasi eine historische Dampfeisenbahn, wo der Lokomotivführer und der Schaffner nicht nur eine historische alte Uniform tragen, sondern sogar auch noch die Trillerpfeife und die Mütze des Heizers, die die Fahrgäste gar nicht sehen können, Originaleemplare sind. Gegen eine solche Eisenbahn kann man - legitim - eine Menge vorbringen. Die Greta Thunberg Fraktion kann einwenden, daß die Bahn Unmengen CO2, Stickoxide und Feinstaub ausbläst und die Fahrgäste sollen sich gefälligst lieber alle einen Tesla kaufen, der von ganz allein fährt und hinten reinen Sauerstoff ausbläst. Oder die Michael Schumacher Fraktion kann einwenden, daß die Bahn viel zu langsam fährt und man, wenn man von A nach B kommen will, doch lieber die japanische Maglev nimmt. Das ist *beides* legitim, geht aber komplett am Thema vorbei, und wenn sich diese Leute beschweren, dann muß man ihnen halt auch freundlich - und ganz und gar in ihrem Sinne - sagen, daß sie die falschen Fahrgäste, zur falschen Zeit, am falschen Ort waren...
Letzte Woche hab ich Nursery Cryme wiedergesehen, die außerhalb ihrer Saison etwas underrehearsed (und nicht ganz so gutem Sound...) gespielt haben, aber erneut eine helle Freude waren. Insofern bleibe ich auch hier bei meinem Ratschlag, wenn man mit dem Konzept von TMB hadert, lieber (Tip an die Gattin) Ausschau nach anderen Bands zu halten - die ich alle drei ausdrücklich empfehlen kann:
Carpet Crawlers (die pausieren zur Zeit)
Nursery Cryme
The Path Of Genesis