da immer mal wieder Diskussionen über unterschiedliche musikalische Akspekte aufkommen, , die aber in dem jeweiligen Thread irgendwie immer Off Topic sind, werde ich hier jetzt (endlich) mal einen Thread eröffnen, wo genau DAS erwünscht ist.
Hier kann und soll über unterschiedlichste Themen diskutiert werden, die anderswo immer ins Off-Topic rutschen.

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Ich fang mal an mit dem Punk-Thema, das Martin im Auskotz-Thread ansprach.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------MartinC hat geschrieben:Erzengel hat geschrieben:The Clash und Stranglers waren aber trotzdem die besseren Bands![]()
... und ich bin mir bis heute nicht sicher, wieviel Einfluß letztlich Malcolm McLaren hatte, dass die Sex Pistols wirklich zur Punk Band per se wurden. Ich zweifle immer noch daran, ob auch nur einer der vier den Grips dazu hatte![]()
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"Handwerklich" waren natürlich Clash und Stranglers "besser", aber gerissen haben sie - vorher - schließlich nichts. Die Stranglers sind jahrelang durch den Stadtrand von London getingelt und zwar als Doors-Coverband (daher später die geniale Orgel) und Joe Strummer von den Clash hing zuvor im Umfeld von Red Crayola herum. Letzteres ein sehr ehrenwerter Act im Umfeld von Rock in Opposition, mit deren Szene ich selber ein Leben lang persönlich verbandelt bin, aber auch hier - Hand aufs Herz - was konnten die jemals politisch reißen? Dagmar Krause hat in den 80ern das beste Brecht/Eisler Programm aller Zeiten gespielt, Chris Cutler hatte das erste wirkliche Independent Label aufgebaut, aber wo und wann haben sie irgendwo auf der Welt die Massen aufgerüttelt und bewegt? Ich sag mal eher weniger...
Malcolm McLaren hatte exakt *das* inszeniert, worüber Patrik Fitzgerald oben singt, nämlich den Quatsch für die Medien, und insofern gehört ihm (und der Frau Westwood) der Verdienst, die Medienrevolution ausgelöst zu haben, und damit gleichzeitig den Aufstieg und den Fall. Aber ohne die beiden Platten von Pistols und Damned und so wie sie waren, wäre ihm das nicht gelungen (Ansonsten: einfach nochmal machen, oder? Einfach mit *nichts* mal eben eine kreative Weltrevolution lostreten. Wenn es so einfach wäre, wie McLaren es hinstellt, hätte man jetzt 30 Jahre Zeit gehabt, es wiederzutun. Das Problem ist aber, daß es in den letzten 30 Jahren nirgendwo mehr einen John Lydon gab, der auf eine neue unerwartete Art den Grundstoff geliefert hätte).
Es ist leider lange vergriffen, aber ich rate Dir, irgendwo das Buch "No Irish, No Blacks, No Dogs." von John Lydon zu besorgen. Dort erzählt er seine komplette Geschichte, und das ist das spannendste, was ich jemals über Rockmusik gelesen habe. Er erklärt vor allem seine Motivation, die Wurzeln seiner Wut auf den britischen Staat in seiner Kindheit, und warum und wie er (mit den Pistols) versucht hat etwas zu bewegen. Wenn Du das Buch gelesen hast, fragst Du Dich nicht mehr, ob er "zu blöd" war oder ist...
Übrigens, was Sid Vicious angeht - der hatte NICHTS mit der "Never mind the Bollocks" Platte zu schaffen, die LP ist das Werk von Lydon und Glen Matlock (letzterer erklärter Paul McCartney/Beatles Fan). Die haben die Lieder geschrieben, jahrelang in London getourt und das komplette Album und alle 4 Singles eingespielt. Als Matlock die Band verließ, hatte Lydon längst resigniert und nahm dann als "Ersatz" Sid Vicious, der einfach nur ein alter Kumpel aus der Szene war. Es ist bezeichnend (für den Hype in den Medien) daß Vicious heute als wichtigstes Bandmitglied wahrgenommen wird, während er in Wahrheit nur ein Bühnen-Clown für die letzte US Tour war (die dann ja auch mit Schmackes in die Tonne gekegelt ist).
Added in 2 hours 19 minutes 50 seconds:
PS: Will wegen dem Buch keinen neuen Thread aufmachen, daher nochmal hier Off-Topic...
Das Buch von John Lydon ist leider tatsächlich vergriffen, das hier war die deutsche Übersetzung:
www.amazon.de/dp/3854451024
Die allerdings fragwürdig war (der Kommentar unten hat leider Recht). Die englische Paperback-Ausgabe scheint in UK ebenfalls vergriffen zu sein, Amazon.de hat aber merkwürdigerweise noch neue Exemplare auf Lager:
www.amazon.de/dp/0312428138
Ansonsten gibt es die englische Ausgabe als eBook/Kindle:
www.amazon.de/dp/B00JTIZVG2
Das Buch ist *wirklich* gut und ändert einem komplett die Perspektive auf die Geschichte. Was zum Beispiel die wenigsten Leute wissen dürften, Lydon erkrankte mit 7 Jahren an Meningitis und mußte als Kind über ein Jahr im Krankenhaus bleiben. Als Spätfolge behielt er seitdem eine Sehstörung, seine starren Pupillen und eine Wirbelsäulenverkrümmung. Viele Kritiker betrachteten später seine ungelenkten Bewegungen auf der Bühne und sein bizarres Starren als Masche, das hat er aber seit seiner Kindheit. Ebenso wissen die wenigsten, daß er aus einer irischen Familie stammte und bereits als Kind den vollen Haß seiner englischen Umgebung abbekam. Rockbücher sind meistens eine Sache nur für die Fans, aber aus diesem Buch lernt man nebenbei allein mehr über britisch/europäische Zeitgeschichte als in jeder TV-Doku.
Added in 12 seconds:
Ich muss zugeben, diese/r Aspekt/e hatte mich in Bezug auch Rockmusik nie wirklich interessiert.MartinC hat geschrieben:aber auch hier - Hand aufs Herz - was konnten die jemals politisch reißen?
Mich hatte nur interessiert was die Musik mit mir machte und wie sie auf mich wirkte - aus rein künstlerischer und emotionaler Sicht.
Politik hatte mich bzgl. Musik nie sonderlich interessiert. Vielleicht hatte ich deshalb auch nie einen Zugang zum (wahren) Punk, für den ich damals allerdings auch uU noch etwas zu jung war. Zu der Zeit hatte ich grad erst die Beatles für mich entdeckt.
