Das ist jetzt überall off-topic, bis ein separater "Europa hat Schnupfen" Thread aufgemacht wird, aber das will ich jetzt auch nicht eigenmächtig starten - imagine kann dann ja bei Bedarf den Verschiebebahnhof machen...
Ja, das sind grade "interessante Zeiten", und was mich am meisten sorgt, ist die Frage, was wir eigentlich machen, wenn mal wirklich die Zombie-Apokalypse lostritt und in 2-3 Jahren plötzlich ein *richtig* fieser Virus loslegt. Das klingt jetzt so, als würde ich mich über Corona lustig machen, aber das tue ich mitnichten. Das Ding *ist* gefährlich, und für alte und kranke Menschen gefährlicher als eine Durchschnittsgrippe. Wenn wir denen helfen können, dann müssen wir das tun. Ich frage mich nur immer mehr, ob wir das grade tun.
Da läuft jetzt ein internationaler Wettbewerb an planlosem Aktionismus. Vorgestern habe ich auf 3sat die ZIB-Sendung (die Hauptnachrichten aus Österreich) gesehen, da wurde der Gesundheits-Experte der Regierung investigativ gefragt, warum in Österreich noch Veranstaltungen erlaubt sind, wenn Frankreich alles über 1000 Leute verboten hat. Der Mann hat schüchtern versucht zu erklären, daß es keinerlei klare Fakten gibt, ob das überhaupt was bringt. Ein Tag später dann die Regierung - Yeah, wenn die 1000 verbieten, dann verbieten wir 100! Was eine kleine Verständnisfrage aufwirft... das österreichische Parlament hat ca. 180 Sitze. Ist das Parlament eine "öffentliche Veranstaltung"? Gemäß Verfassung schon, also ab jetzt nur noch vor dem Gebäude im Freien tagen, denn da sind 500 erlaubt. Und wenn's regnet aufpassen - nur keinen Schnupfen holen.
Und jetzt ist eigentlich Deutschland gefragt - wenn die 100 verbieten, dann müssen wir 10 verbieten, oder?
Was mich an der ganzen Nummer ankotzt, ist das erneute komplette Versagen der Medien, mal *irgendetwas* anderes als "Stimmungen" und "Ansichten" und "Emotionen" zu vermelden, und wenigstens zu *versuchen*, mal die minimalen Fakten zu erklären.
Einfaches Beispiel "Sterblichkeitsrate". Da gibt es nämlich *drei* Sterberaten:
1) Tote pro Erkrankung
2) Tote pro Infizierung
3) Tote pro Gesamtbevölkerung
Und die werden schön durcheinandergeworfen. Die "spanische Grippe" 1918 tötete über 2,5 Prozent
der Gesamtbevölkerung. Corona in China tötete über 3%
der schwer Erkrankten. Also ist Corona jetzt schon gefährlicher als die Todesgrippe damals, oh GOTT wir werden alle STÖRBEN.
Es sieht weiterhin so aus, als würden 90% der Infizierten nie merken, daß sie Corona hatten. Wenn das stimmt (und was anderes haben wir nicht zur Planung) dann läßt sich die komplette Ausdehnung auf die Gesamtbevölkerung nicht verhindern. Nun hieß es, "ja aber wir können durch die Absagen die Ausbreitung bremsen, und ab Mai kommt der Sommer, da ist der Spuk vorbei".
Jetzt heißt es seit 2 Tagen "April, April, Corona macht ab Mai fröhlich weiter". OK, glauben wir das mal... warum sollen wir es dann aber noch bremsen? Jeder Infizierte steckt 2-3 andere Menschen an (so heißt es aktuell), das ist exponentielles Wachstum - es beginnt langsam, und dann explodieren die Zahlen. Aber die Bevölkerung ist endlich, und deshalb kommt das Wachstum nach einer kurzen Explosionsphase genauso schnell wieder zum Stillstand. Das passiert grade eben in China.
Wenn das *wirklich* so ist, dann Augen auf und durch. Nach der Infektion ist man (zumindest eine Zeitlang) immun. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung temporär immun ist, bricht die Ausbreitung zusammen. Aber wenn wir die Ausbreitung *bremsen*, dann laufen wir sogar Gefahr, daß sich ab Herbst die ersten Geheilten *erneut* infizieren. Und dann kann Zazie ihre Termine auf März 2021 verschieben... (womit ich doch noch on-topic geworden bin).
Vielleicht sollten wir aufhören, die *Infizierten* isolieren zu wollen, und lieber die *Gefährdeten* isolieren. Die Altenheime und die Krankenhäuser abschirmen, so weit es geht, und den Menschen eintrichtern, sie sollen mit Oma und Opa die nächsten 4 Wochen dreimal am Tag telefonieren und sie eine kurze Zeit lang nicht mehr besuchen. Das alles zu organisieren braucht auch viel Zeit, Energie und Geld - und genau das verballern wir grade mit dem Versuch, eine zeitlich befristete Krise in eine monatelange oder jahrelange Dauerkrise zu "bremsen".
PS: Zur Untermauerung meines Verdachts, daß überall nur noch gedankenloser Aktionismus herrscht: Eben habe ich in den Schweizer Nachrichten gelesen, daß die Regierung dort die Quarantänezeiten halbiert hat: Infizierte ab sofort nur noch 10 Tage, Kontaktpersonen nur noch 5 Tage. Gute Nachricht? Corona besiegt? Nicht so ganz, die offizielle Begründung: Das Virus wäre inzwischen ja so flächendeckend im Umlauf, daß die längeren Quarantänezeiten allein von der Menge her gar nicht mehr "praktikabel" wären. Ja, Nee, is Klar.
PPS: Oh...kay.
Es ist wirklich spannend, was da grade auch in der Wissenschaft abgeht. Wenn wir die Daten der chinesischen Wissenschafter ernst nehmen, dann ergeben sich aktuell folgende neue drei Erkenntnisse:
- das Virus wird voraussichtlich durch die Sommertemperatur nicht gebremst werden
- das Virus überträgt sich bis auf eine Distanz von 5 Metern
- das Virus bleibt ca. 30 Minuten infektiös in der Luft
Ich bin absolut kein Arzt und insofern ist mein komplettes Geschreibsel hier das Grübeln und Hadern des Laien. Aber ich war und bin auch immer noch Mathematiker und die Ausbreitung ist (auch) eine grundsätzliche mathematische Angelegenheit, und als Mathematiker sage ich: Wenn das stimmt, dann steckt jeder Infizierte nicht nur 2-3 Menschen an, sondern einen ganzen Haufen, und wenn es weiterhin stimmt, daß 90% der Infizierten gar nicht diagnostiziert werden (weil keine Krankheit ausbricht oder die Symptome marginal sind), dann wird nichts und niemand dieses Virus stoppen. Und selbst wenn wir in Europa dafür kollektiv unsere Wirtschaft an die Wand fahren, dann verzögern wir damit den Massenausbruch um maximal 2-3 Wochen, ohne ihn dann *irgendwie* zu ändern. Das ist unschön, aber so wie es aussieht wird es von den Folgen her keine Zombie-Apokalypse.
Wenn das *stimmt* was die Wissenschaftler sagen, dann Augen auf und durch. Und wenn es *nicht* stimmt... dann wissen wir garnichts, und jede drastische Maßnahme ist ein Schuß ins Dunkle, mit verbundenen Augen und keiner Ahnung was eigentlich aus der Waffe rauskommt und wie weit es fliegt.