Aus verschiedenen Gründen hinter den Kulissen kam ich ja diesmal nicht wirklich dazu, hier ein längeres und einschläferndes Traktat zu der Produktion an sich zu posten, möchte dann aber ersatzweise doch ein paar alternative Gedanken und Eindrücke in den Ring werfen...
Gesehen habe ich die Show einmal Pelouse Or in Genf, dann ein paar Maschinengewehre in Paris, und nun einmal Haupttribüne frontal in Brüssel.
Das mit dem Treffen war ja, trotz regem Austausch korrekter Handy-Nummern, nicht wirklich was geworden, weil offenbar dann alles nur via WhatsApp lief, und sowas hamwernicht, unkommtauchnichsoschnellinshaus...

Aber der Ezengel hat es mehrmals gecheckt und gemeint, er hätte auch von mir schön gegrüßt. Wer's nicht bekommen hat, dann nochmal jetzt hinterher: Gruß.
Nun... ein längeres und einschläferndes Traktat zu abweichenden Impressionen der Show.
1) Fand ich in Le Défense, daß die Show "für die Gallerie" konzipiert war, nur von den Tribünen wirklich funktionierte und den Innenraum teilweise selbst zum Bühnenbild gemacht hat, finde ich "Nevermore" überraschenderweise als viel viel stärker für den Innenraum! So sehr mir Brüssel (auch) gefallen hat, war für mich Genf die deutlich bessere Wirkung. Die "Vogelscheuchen" ergeben vor der Nase eine völlig andere Dramatik, als wenn man sie aus der Entfernung sieht, wo sie einfache Deko-Objekte sind. Überhaupt haben alle beweglichen Teile aus der Nähe und um einen herum eine ganz andere Dynamik und Dramatik. Der Nachteil ist, daß man unten drin nur die Hälfte der Show sieht... aber die andere Hälfte ist um so viel lebendiger, daß das mehr als wettgemacht wird. Und so habe ich mich in Brüssel zwar über den "Überblick" gefreut, am Ende war aber kaum ein Element dabei, das ich von der Tribüne aus als eindrucksvoller als von unten empfand. Also - 2019 war für die Tribünen, 2023 hingegen für das "Fußvolk"...
2) Und dazu paßt die Ouvertüre, die ich in Genf mitnichten als zu lang empfand. Das ist nun schwierig nachträglich zu entscheiden, ob es daran lag, daß ich in Genf noch nichts wußte, aber ich denke es war/ist etwas anderes. Die Älteren unter Euch erinnern sich vielleicht noch an diese "Pseudo-3D" Kinos auf dem Rummel vor Hundert Jahren? Das waren Halbkugel-Kuppeln in denen Achterbahn, Slalom-Flugzeuge und Rennwagen fuhren, und obwohl es ja nur 2D war, haben die runden Kuppeln einen schwindelig gemacht. Genau das ist mir in Genf passiert - man starrt auf den Screen, der so groß ist, daß man nichts anderes sieht, und dann beginnt man, mit dem Körper leicht mitzuschwingen und die Bewegungen des Rabenschwarms mitzugehen, bzw. auszugleichen, und mir ist 2-3 Mal fast minimal schwindelig geworden, bzw. habe ich unwillkürlich einen Ausfallschritt gemacht. Auch das gehört zu der oben erwähnten "Dynamik". Dieser Effekt ist auf den Tribünen komplett verpufft, da schaut man einfach auf eine statische Leinwand, wo ein wenig abwechslungsreicher "Bildschirmschoner" läuft...
3) Wie auch in La Défense hatte ich Probleme, "reinzukommen"... die ersten paar Lieder habe ich gestaunt, aber als alter Meckerer fand ich zunächst keine künstlerische "Linie", das war eine perfekte geniale Show, aber irgendwie mehr Las Vegas als Cirque de Soleil. In Genf hat mich dann "Optimistique-Moi" abgeholt, als das Bühnenbild zuerst voll zu sehen war. Und in Brüssel hat es noch 1-2 Songs etwas länger gedauert. Dann aber...
4) Hat schon einmal jemand darauf hingewiesen, was für ein Geniestreich "Ode à l’apesanteur" mit dem Krähenfilm ist? Mein größter Bedenk vorab war die einfache Erkenntnis, daß man im Stadion nicht machen kann, was in der Halle geht. 2009 fand ich die Hallenkonzerte eine Klasse stärker als die Stadionversion, weil sie in der Halle im letzten Viertel die Atmosphäre wieder "runterfahren" und beruhigen konnte, während im Stade de France nach der emotionalen Explosion nach dem Acoustic-Block halt alles komplette Party wurde und blieb. Insofern war auch klar, daß "Nevermore" viel mehr Greatest Hits sein würde, als es sonst ihre Art ist. Aber - mit diesem genialen Animationsfilm und dem Instrumental schaffte sie es diesmal wirklich, die "Street Parade" zu stoppen und danach wieder feinmotorischer zu inszenieren. Ein LIed wie "Que je devienne" gegen Ende eines Stadionkonzerts... das muß man erst mal schaffen.
5) Ich liebe ja kühne Klassifikationen... Bei "Timeless" und "La Défense" war für mich die erste Hälfte immer eher die "helle Mylène" und die zweite Hälfte die "düstere Mylène" (mit jeweils etwas Yin und Yang dazwischen). Wie gefällt Euch die These, daß das diesmal irgendwie durchgehend die "düstere Mylène" war, die aber eher eine Playlist der "hellen Mylène" aufgeführt hat...?
6) Und nun zu der für mich verblüffendsten Überraschung, über die scheinbar noch gar niemand geschrieben hat? In allen früheren 7 Konzertserien war die Zugabe immer das Finale der Bühnenshow - Finale und Höhepunkt. Und diesmal... war die Zugabe einfach eine Zugabe! Das dramatische "Finale" der Show war in jeder Hinsicht "Désenchantée". Dann haben wir alle geklatscht, dann kam sie zurück und... ist nochmal über den Catwalk gehüpft und hat ein fröhliches Liedel gesungen, mit ihrem Trupp. OK, sie haben noch etwas Pyro gefackelt, aber es war keinerlei nennenswerte visuelle (Theater)inszenierung, wie sie 30 Jahre lang für diese Stelle fest gesetzt schien, und das *sollte* sie auch ganz offensichtlich gar nicht sein. Und daher kam der finale (dramatische) Abtritt mit dem diesmaligen Bühnentod auch komplett abgesetzt als eine Art kurze Coda hinterher (die ebenfalls nichts mit der Zugabe zu tun hatte). Das war für mich total überraschend und absolut interessant und (da unerwartet) gut.
6ps) Was das Lied angeht... gibt es jemanden, der es nicht für (entweder) das beste oder das schlechteste Lied auf dem Album hält? Ich finde es grauenvoll, aber - ehrlich - auf jedem ihrer Alben ist mindestens ein Song, der stilistisch komplett raushaut und dann ein Leben lang polarisiert. Ich (confess!) kann diesen Song nicht ausstehen, und als ich die Setlist laß, dachte ich, "Oh my goodness, diesen Ballermann-Schlager als großes Finale, was hat sie denn jetzt geritten"... Jetzt sehe ich das aber grundlegend anders und auch milder. Diese Inszenierung *ist* anders, und "Rallumer les étoiles" ist eben *nicht* das "Finale" der Bühnenshow, sondern... eine Zugabe. Die Künstlerin kommt nochmal raus, singt noch ein Lied, und alle haben Spaß. Fast wie "noch ein Song außer Konkurrenz" und dann schließlich als kurzer Epilog noch das eigentliche Ende hinterher. Like.
7) Und schließlich und endlich... was passiert 2024? Egal was Thierry Suc jetzt erzählt, ich kann mir absolut *nicht* vorstellen, daß sie in 14 Monaten ein völlig identisches Konzert spielt. Never. More...
Was nicht heißt, daß wir eine neue Show/Inszenierung bekommen, die Kulissen, die Elemente, die Screens, die Kostüme, das wird mit Sicherheit alles so bleiben, nichts dazugefügt, nichts weggelassen. Aber die Frau wird es jetzt 14 Monate lang jucken, etwas zu variieren, man kann ja auch bei absolut gleicher Show 2-3 Songs austauschen. Bei "L'autre" und "Pas le temps de vivre" hat sie es grade in der laufenden Tour gemacht. Sie kann es leicht zurücktauschen, oder plötzlich ein anderes LIed spielen. "Peut-être toi" hat von der Inszenierung *nichts* mit der Bühnenshow zu schaffen, sie fährt einmal Karusell und singt einen Hit (und auf der Bühne hocken Hitchcocks Vögel und hören zu). Da kann sie *jeden* anderen Popsong spielen. Und die Zugabe... da kann sie JEDEN Uptempo-Song singen, zu dem man hüpfen kann...
Die Show im Zustand Juli 2023 einzufrieren und dann 2024 nachzuspielen wie ihr eigener Cover-Act... das mag sie vielleicht sogar im Moment vorhaben, aber betrachtet man ihr Lebenswerk, würde es mich wundern...
8) MartinC sagt mitnichten, daß man die angepaßten Ohrstöpsel *braucht*, er sagt nur, daß die saubequem sind und ich sie jedem empfehle, der pro Jahr mehr als 100 Euro für Konzertkarten ausgibt. Ich habe sie vor Jahren halt aus professionellen Gründen gekauft, und mich dann geärgert, sie nicht 15 Jahre früher gekauft zu haben...
Erzengel hat insofern Recht, daß die "generischen" vom Filter her sogar identisch sein können (wobei ich 20 Euro niedrig finde, die müßten so um die 40-50 Euro kosten, wenn sie die exakt gleichen Filter haben). Der Punkt ist, daß die nur dann optimal klingen, wenn sie den Gehörgang *komplett* versiegeln und kein Gemisch aus Live+Filter durchlassen. Das geht naturgemäß generisch nur mit erheblichem Druck (was vielen Leuten sogar Schmerzen beim Tragen generieren kann), oder sie sitzen eben locker und der Sound wird dadurch wieder schlechter. Lösung beider Probleme: Individuelle Paßform, die verschließt den Gehörgang komplett (ohne Filter wäre man mit ihnen TAUB) aber ohne jeden Druck. Nach 2-3 Mal tragen und jeweils 5 Minuten merkt man gar nicht mehr, daß die noch drin sind... (das kann lustig sein).
Aber - die Nachbarn hört man trotzdem, das ist auch die Idee, daß man *alles* hört, nur ohne Übersteuerung und ohne Zerstörung von Nervenzellen im Innenohr. Wenn Erzengel durch seine die Nachbarn nicht mehr hört, dann sind sie vom Sound *nicht* so gut wie die angepaßten.
Ihr bekommt sie bei jedem Hörgeräte-Akustiker, Ihr braucht -25dB Dämpfung (keine -9dB, keine-15dB, wenn die was anderes sagen, vergeßt es und glaubt mir...) und die kosten roundabout 150 Euro. Schockschwerenot! Jawoll, einmal Übernachten oder dreimal gut Essen. Die sagen Euch, die würden 10 Jahre halten - das stimmt, wenn Ihr 18 seid und Pech habt. Wenn Ihr über 25 seid (oder Glück habt) dann halten die ein Leben lang. Meine habe ich jetzt seit ca. 25 Jahren und die sind wie neu - so sehr wachsen die Ohren nämlich dann doch nicht mehr im Alter.
Ende des Werbeblocks, und wenn Ihr Euch etwas Gutes tun wollt: geht hin und holt Euch welche. Dann beginnt, auf Konzerten, ein neues Leben...
