hab etwas gehadert, ob ich eher nach der Band oder nach dem Festival benennen soll, beides hätte sein Recht.
Ich muß gestehen, daß ich gegenüber Reunions immer skeptisch war, genau gesagt gegenüber der Sehnsucht von Fans, eine ewig verschwundene Band "noch einmal" (oder überhaupt) sehen zu können, respektive (manchmal nur 1-2) alte Leute, die auf die Bühne tappsen und uralte Sachen spielen, quasi als ihre eigene Cover-Band.
Dann haben mich zwei Ereignisse etwas Anderes gelehrt, und wenn es einem selbst so ergeht, wird man milder im Urteil... 2011 gab es eine Reunion einer New Yorker AvantGarde-Band, mit denen ich die gesamten 80er sehr eng liiert war, und bin. Unser Kontakt ist nie abgerissen, aber eine Reunion der Band stand, bis 2011, nie zur Debatte, und als ich dann in London in dem brechend vollen Club beim ersten Gig seit 22 Jahren stand, konnte ich mir maximal noch einreden, daß ich wegen der persönlichen Komponente belegte Stimmbänder und feuchte Augen habe.
Die Entschuldigung galt dann nicht mehr, als ich Ende 2013 auf dem "Week-End" Festival in Köln die Young Marble Giants gesehen habe, zusammen mit ein paar anderen hundert Leute, die wie ich 30 Jahre auf das Konzert gewartet hatten...

Und nun hat eben dieses wunderbare kleine verschrobene Indie-Festival in seiner 6. Auflage den Knaller aller Zeiten gelandet, nämlich die unwahrscheinlichste und unerwarteste One-Off Reunion ever, ever, ever:


Slapp Happy wurde 1972 in Hamburg gegründet, von einem Engländer (Anthony Moore), einem Amerikaner (Peter Blegvad) und einer Deutschen (Dagmar Krause, die Deutschland verließ und nie mehr zurückkehrte). Ich nannte sie immer "die beste deutsche Band aller Zeiten, die nicht aus Deutschland kam"...
Alle drei kamen aus dem *extremsten* AvantGarde, beschlossen aber, zusammen eine Pop-Band zu gründen... und locker flockige Tanzmusik für gehobene Teegesellschaften zu spielen. Bzw. was man dafür hielt...
Die erste LP kam auf Polydor raus und kostet heute ein Vermögen in Farmer'schen Dimensionen, die zweite LP spielten sie mit der Band Faust ein und Virgin UK hatte deswegen Angst - und ließ sie in London nochmal neu mit Mitgliedern von Henry Cow einspielen. Und dann wurde Dagmar Sängerin von Henry Cow, die anderen beiden gingen ihrer separaten Wege "and the rest is history", wie der Dichter sagt.
1997, aus dem kompletten Nichts, kamen sie plötzlich einmal wieder zusammen und machten das geniale Studio-Album "Ça Va", eine meiner Insel-LPs. Und dann spielten sie eine Mini-Tour... in Japan! JAPAN!!! Ahhhhrrrrrggggggg!!!

Und nun, nochmal 16 Jahre später, wieder aus dem Nichts, weltweit ein Konzert in Originalbesetzung (plus 1-2 Leute von Faust), am 26.11.2016 in Köln/Mülheim:
Week-End Festival WE#6 / 25–27 Nov 2016
Ich denke mal nicht, daß hier viele Leute auf diesem Board das ganze alte Recommended Umfeld kennen (der Erzengel kennt vielleicht Anthony Moore, denn er hatte alle Texte auf dem Pink Floyd Album "A Momentary Lapse of Reason" geschrieben und lebt bis heute glänzend von den Tantiemen...) aber ich liebe Dagmar mein ganzes Leben lang und alles, was sie in ihrem Leben gemacht hat - und Slapp Happy ist eine meiner ab-so-lu-ten Lieblingsbands. Die leibhaftig auf der Bühne zu sehen, ist so absurd wie unbeschreiblich. Ich werde heulen... und hüpfen...

Slapp Happy 1973 vom unveröffentlichen zweiten Album mit Faust:
Die Studio-Reunion 1997: