Ein kleiner Teddybär auf einem großen Festival

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MartinC
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Ein kleiner Teddybär auf einem großen Festival

Ungelesener Beitrag von MartinC »

Bin zwar jetzt schon wieder zwei Tage vom Festival zurück, aber immer noch stehend KO. Eigentlich dachte ich, schon einmal einen Extra-Thread über das Night of the Prog Festival auf der Loreley aufgemacht zu haben, aber offenbar hab ich die sporadischen früheren Posts immer nur in "Was hört Ihr grade" getippt.

Nach zwei Ausfällen wegen "Ihr wißt schon warum" fand das 15. Festival NOTP XV nun tatsächlich über die 3 Tage statt, wobei der Veranstalter es ironisch "XV 3.0" genannt hat. Es war nach der langen Pause fast surreal, wieder dort zu sein, als wäre nix passiert, und auch (fast) alle alten Freunde und Bekannte vor und hinter den Kulissen wiederzusehen. Lazuli aus Frankreich haben einmal mehr so abgeliefert und abgeräumt, daß sie merklich selber mit den Tränen kämpften (minutenlange Standing Ovations schon zur Halbzeit ihres Auftritts, als sie mit dem komplett gespielten letzten Studioalbum durch waren), Renaissance fand ich grandios... auch wenn die Vocals von Annie Haslam in ihren kühnen und ungewöhnlichen Bahnen - schon im Original vor 50 Jahren - dem einen oder anderen Freund der "anspruchsvollen Rockmusik" offenbar nicht anspruchslos und eingängig genug waren... :twisted: Und die italienischen PFM zum Finale Sonntagnacht waren ganz großes Kino.

Aber das ist alles gar nicht mein Thema, ich will Euch nämlich die rührende Geschichte eines kleinen Teddybären aus Norwegen erzählen. Der ist ein Riesenfan, mit Hilfe seines Herrchens kommt er jetzt seit fast 20 Jahren auf jedes NOTP, und weil er so klein ist und nichts sehen würde, klettert er immer an einer norwegischen Fahne hoch:

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Nur in einem Jahr war er mal nicht da, und das war gar nichts. Gut, die Bands haben gespielt, und das Publikum hat applaudiert, aber ohne den kleinen Bären, der über uns in der Luft schwebt... Nein, das geht gar nicht. Im nächsten Jahr habe ich es ihm auch persönlich gesagt, worauf der Teddybär aber nichts geantwortet und mich nur stumm angesehen hat. Aber sein Herrchen, der die Fahnenstange hält, erklärte mir dann, daß er krank gewesen war und deshalb nicht anreisen konnte.

Irgendwann kam auch noch ein kleiner Kumpel mit, der anfangs sogar noch höher kletterte... (die Flötistin gehörte übrigens zu einer tollen norwegischen Band, The Gentle Knife). Seit der kleine Freund dann gewachsen ist, stecken sie heute in der Mitte der Stange zusammen.

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Als wir vor ein paar Jahren ein Foto-Portfolio mit den Konzertfotos der ersten 10 Jahre veröffentlicht haben, brachten wir den kleinen Teddybär aufs Titelbild, was ihn sehr gefreut hat.

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Aber einen großen Traum hatte er die ganzen Jahre. Er flog zwar immer auch mal über unseren Köpfen weit über dem Bühnengraben hin und her...

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Aber er wäre so gerne auch einmal selbst auf der Bühne gewesen. Doch außer sehnsüchtigen Blicken war ihm das leider nicht möglich, denn er hatte ja keinen Backstage-Pass...

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Und jetzt, dieses Wochenende, kam plötzlich und unerwartet seine große Stunde. Die (ebenfalls norwegische) Band Infringement spielte zum Auftakt des Sonntags zur Mittagszeit ihr ziemlich düsteres aktuelles Konzeptalbum, in dem es um mentale und psychische Schrecken in der Seele der Menschen geht, und der Sänger trug dazu eine Zeit lang eine gruselige Maske

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Plötzlich stürmte er von der Bühne, kletterte über den Graben und rannte durchs Publikum, gradewegs zum kleinen Teddybär!

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Bevor der sich versehen konnte, schnappte er sich die Stange, rannte zur anderen Bühnenseite, kletterte zurück in den Bühnengraben... :pfeif:

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Und nach all den vielen Jahren erfüllte sich der Traum des kleinen Bären... er war auf der Bühne und sah die tausende Leute, die ihm schon zu dieser frühen Tageszeit zujubelten! :freuhuepf:

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Und damit hat seine kleine Geschichte, die ja durch die ausgefallenen Festivals fast 20 Jahre gedauert hat, dieses Jahr ihr Happy End gefunden... :love1:

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MartinC
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Ein kleiner Teddybär auf einem großen Festival

Ungelesener Beitrag von MartinC »

Gestern Nacht zurück vom diesjährigen Festival, noch kaputter als auch schon (ich werd zu alt für diesen S*****) aber trotzdem wieder ein wundervolles friedvolles und abwechslungsreiches langes Wochenende...

Mit einem Schock, den die meisten Zuschauer gar nicht mitbekommen hatten. Die niederländische Musikerin Anneke van Giersbergen (von 1995 bis 2006 Sängerin von The Gathering und danach solo mit unzähligen Solo-Projekten und Zusammenarbeit mit großen Bands aus der NeoProg-Szene) hatte zuletzt in ihren Gigs immer wieder Kate Bush Cover eingestreut, "for fun" und weil sie sie halt auch singen konnte...

Der Veranstalter vom NOTP Festival bekam die Idee, sie um ein Sonderkonzert zu bitten, einmal (auf der Loreley) ein komplettes Kate Bush Set mit allen ihren verstreuten Covern zusammen am Stück aufzuführen...

Unmittelbar nach der Ankunft in Deutschland bekam ihr Keyboarder Eric Swinkels plötzlich ein Aneurysma und Schlaganfall - er liegt auf der Intensivstation. Wir wissen leider im Augenblick nicht, wie es ihm jetzt geht... :(

Ihre anderen Bandmitglieder sahen sich außerstande, in der Situation ohne ihn auf die Bühne zu gehen und das geplante Set zu spielen. Anneke wollte aber weder den Veranstalter noch die Zuschauer hängen lassen und den Auftritt komplett absagen. Also schnappte sie sich eine Akustikgitarre, ging allein auf die Bühne, entschuldigte sich kurz für das ausfallende angekündigte Set und spielte dann Impromptu mit Drumcomputer und Schrammelgitarre eine Stunde lang Lieblingslieder, die sie spontan draufhatte... und für 3-4 Songs kam dann ihr Gitarrist Dave Foster doch noch dazu.

Ich wußte die Geschichte noch nicht, als ich sie spielen sah, hatte aber das Gefühl, "sie spielt um ihr Leben" und als würde es ihr unendlich viel bedeuten, jetzt diese paar Lieder zu singen. Danach erfuhr ich, warum, und ich verneige mich. :kniefall:



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MartinC
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Ein kleiner Teddybär auf einem großen Festival

Ungelesener Beitrag von MartinC »

Eigentlich wollte ich das schon vor Wochen auch hier einmal vorstellen, aber irgendwie habe ich es verbummelt, bis es mir heute auf den letzten Drücker noch eingefallen ist...

Das Festival endete dieses Jahr mit seiner 17. Austragung, aus einer ganzen Reihe an Gründen. Die meisten sind grundsätzlicher Natur und wurden auch hier schon in anderen Zusammenhängen besprochen, einige sind auch sehr lokal und hatten mit dem Austragungsort auf der Loreley zu tun.

Ich habe des Festival zusammen mit unseren Kollegen zwei Jahrzehnte lang begleitet und dokumentiert, und auch wenn es tatsächlich gar nicht wirklich meine Haupt-Musik war, die meiste Zeit hatte ich mich ausgesprochen gut unterhalten gefühlt. Es ist schade, daß all diese Kulturereignisse nun eines nach dem anderen sterben, und, so wie es aussieht, auch nie wiederkommen werden. :(

Aber zum feierliche Finale bringt der Empire Verlag ein großes Fotobuch heraus, das alle 17 Festivals in Bildern dokumentiert, insgesamt von 7 FotografInnen des Magazins, eine unserer Kolleginnen und gute Freunding ist leider nicht mehr unter uns – wir widmen ihr das Buch.

Das Besondere an unserem Buch ist, daß wir uns nicht auf die Headliner und große Namen beschränken, wir haben tatsächlich über die Jahre alle Künstler dokumentiert, die dort aufgetreten sind, und das Buch enthält auf über 200 Seiten auch Fotogalerien von tatsächlich allen 188 Acts und allen ihren insgesamt 258 Auftritten. Damit wollen wir ganz bewußt auch ein kleines Denkmal für die jungen (und manchmal auch alten) hoffnungsvollen kleinen Bands schaffen, und das Festival so auch wirklich vollständig festhalten und die Erinnerung daran bewahren.

Das Buch wird per Subskription (neudeutsch: Crowdfunding) finanziert, und man kann es noch bis Samstag Mitternacht (14.9.2024) zum Einführungspreis von 49€ (plus Porto) kaufen. Dafür erhält man es garantiert und man hat die Möglichkeit, seinen Namen auf eine Dankesliste im Buch gesetzt zu bekommen. Wir fertigen alle vorab gekauften Exemplare plus ein paar mehr, die werden dann (voraussichtlich im November) für 69€ (plus Porto) in den freien Verkauf gehen.

Ich denke, die Schnittmenge dieses Festivals mit der Mylène Community ist überschaubar, aber wenn jemand noch kurzentschlossen ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk sucht... noch ist der Basar geöffnet... :kicher:

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Alles weitere steht auf der Artikelseite hier: ›The 42 Days of the Prog‹
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