Ich hätte hier ja jetzt gedacht, daß 3 der glorreichen 4 aus diesem Forum längst freudig erregt schnattern, während ich noch in Paris verblieb und die Bonsai-Version vom Juni 2023 erlebte... (*)
Ich bin jetzt auch nur auf der Durchreise, weil wir heute Abend das (von unserem Magazin veranstaltete) Pendragon-Konzert in Ramstein ausrichten, daher nur in aller Kürze: Die Konzerte waren
tri-um-phal... Und ihr könnt mir glauben, daß ich skeptisch gewesen war. Ich hätte im schlechtesten Fall eine etwas halbseidene Nostalgie-Show erwartet, und im besten Fall eine ansprechende, charmante und sympatische Nostalgie-Show. Und daß ihre Stimme "OK" sein würde.
Wir sahen eine Sängerin mit kraftvoller, stabiler und fester Stimme, die mit einer Souveränität auftrat, als hätte sie die letzten 25 Jahre durch-getourt und wäre auf dem Höhepunkt ihrer professionellen Karriere. Die Musik war durch die Bank uptempo, laut, fokussiert. Die Bühnenshow mit massigen Tanzeinlagen, aber diese immer relativ kurz und auf den Punkt, sehr stilsicher. Ihre Band war, auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, die Originalband ihres Olympia-Auftritts vor 20 Jahren. Das Publikum bestand zu einem Drittel aus jungem Gemüse, das kaum auf der Welt war, als sie vor 25 Jahren anfing, und sie wurde phrenetisch gefeiert wie Madonna, Lady Gaga und Taylor Swift zusammen, ich habe es auch noch nirgendwo zuvor erlebt, daß in den Klatsch-Pausen nicht nur non-verbal gegröhlt, sondern zwischen *allen* Liedern unmittelbar "Alizée-Alizée-Alizée" Chöre gebrüllt werden... woraufhin sie in den Dunkelpausen mehrfach die Hände vors Gesicht warf und wohl tatsächlich die Tränen wieder wegbekam...
Am Montag sagte sie in ihrem "Danke Danke Danke" Geschnatter am Ende ein Dank an Mylène, die "heute Abend hier" wäre. Daraufhin starrten alle wie der Blitz auf die Tribüne hoch, wo vorne links/rechts ein abgesperrter kleiner Bereich war - dort war sie aber (an der Stelle von dem inzwischen kursierenden Foto) absolut nicht zu sehen, also entweder war sie schon weg oder hat sich geduckt...
Die Setlist bestand dann am Ende doch fast nur aus den ersten beiden Alben, 2-3 Lieder mehr von den Alben 4+5 hätten mir gefallen, aber am Ende war es ein absolut starkes Konzert, und wenn sie mit dem Image eines vor zehn Jahren verschwundenen One-Hit-Wonders, das noch einmal als Nostalgie für ihre alten Fans auftritt, die Bühne bestieg, so trat sie 100 Minuten später als eine hochrespektable Sängerin und Künstlerin erhobenen Hauptes wieder von der Bühne ab. Wäre ich nicht hingefahren, würde ich mich jetzt in Grund und Boden ärgern...
(*) Geschichte wiederholt sich stets, zunächst als Tragödie und zuletzt als Farce. Nachdem der Sturz der Regierung für nächste Woche angekündigt war, begleitet von einem Generalstreik, stürzte sich Marcrons Stellvertreterregierung am Dienstag selbst eine Woche früher. Dienstag Abend traf ich mich mit zwei wunderbaren Musikerinnen, über die ich auch demnächst mal posten werden, und die erzählten mir die grade aktuelle Situation - der Generalstreik wurde ebenso spontan für Mittwoch ausgerufen, gesamt Paris würde vollständig lahmgelegt, alle Geschäfte zu, alle Metros stehen, keine Züge mehr. Wunderbar... ich freue mich auf meine Heimfahrt.
Am nächsten Tag dann... Love, Peace & Pancakes. Alle Geschäfte auf, alle Metros fahren, alle Züge fahren. Man kann ja über den Präsidenten sagen, was man will, aber in "seinen eigenen Hintern retten" ist er gut. Der Generalstreik jetzt war zu kurzfristig, und ob jetzt noch jemand nächste Woche Bock hat, einen hinterher zu machen, darf bezweifelt werden. Anyway, ich fahre und laufe gestern durch Paris, wunderbares Wetter, die Straßen voller Menschen die tiefenentspannt den schönen Tag genießen. Und von zuhause bekomme ich zugefunkt, daß laut Presse hier in gesamt Frankreich und am schlimmsten in Paris "die Barrikaden brennen" und das Land vor dem Untergang steht. Am Abend erfahre ich dann auch, daß speziell der "Gare du Nord" von einem brandschatzenden Mop gestürmt wurde. Und zwar zu *exakt* der Zeit, als ich selbst dort rumlief und den zwei Dutzend Reisenden zugeschaut haben, die den Bahnhof betrafen oder verließen. Da sieht man mal, wie wichtig doch so eine freie seriöse Presse ist! Man steht vor dem Bahnhof und der steht friedlich in der schönen Spätsommersonne. Daß er in Wahrheit in Flammen steht erfährt man erst durch die Zeitungen...
